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Arbeitskreis "Unser Dorf liest"Kolumnen - Archiv 2024 |
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Fortsetzungsgeschichte „Raum ist in der kleinsten Hütte, Teil 3"
Was bisher geschah: Paul hatte an der Tanke einen riesengroßen Tannenbaum geschenkt bekommen und ihn durch die Stadt transportiert. Jetzt musste er nur noch in Oma Völzens Wohnung hoch. Seine WG hilft ihm dabei.
„Mein lieber Mann, das ist ja je´ große Tanne, wo haste die denn her? Geklaut?“ – „Nein, nein, ich habe an der Tanke vollgetankt und dann als Bonus den Baum bekommen! Lasst uns versuchen, den zu Oma Völz mit dem Aufzug in den vierten Stock hochzubringen!“ Um es gleich zu sagen: in den Aufzug passte der Baum nicht. Da stand nur: Acht Personen maximal, aber nix von Tanne. Also wuchteten wir das Ding mit alle Mann durchs Treppenhaus, wobei einige Bilder abgenommen wurden, und der Baum von sich aus – wohl aus Versehen – einige Klingeln betätigte, worauf sich das Treppenhaus mit Nachbarn füllte: „Frohe Weihnachten“ hieß es allenthalben. Endlich oben angekommen, klingelten wir stolz und glücklich bei unserer Oma Völz. Wir hörten, wie sie sich zur Tür vorarbeitete, sie war ja nicht mehr die Jüngste. Wir standen mit fünf WG-Mitgliedern zwischen den Zweigen, und als die Tür aufging, rief Oma Völz im besten Ostpreußisch in den erfüllten Flur: „Ne , was ist denn hier los? Ein richtiger Tannenbaum! Jungschens, was macht ihr denn mit mir? Welche Freude!“ - „Ein Geschenk für dich - als Dankeschön für alles!“ rief ich. – „Na, nu kommt erst mal alle rein. Ich habe ein Weihnachts-Süppchen aufm Herd, wenn ich da noch Wasser beigebe, reicht es für alle! Und bringt den Baum mal mit!“ Gemeinsam drückten wir ihn durch den kleinen Flur direkt ins große Zimmer. Welch eine Größe er doch hatte! Der Baum, endlich von seinen Einschränkungen befreit, entfaltete nach und nach seine schönen großgliedrigen Zweige und nahm tropfend den ganzen Raum für sich in Beschlag.“
Fortsetzungsgeschichte „Raum ist in der kleinsten Hütte, Teil 2"
Was bisher geschah: Paul hatte am Weihnachtsmittag einen Baum an der Tankstelle als Geschenk angeboten bekommen. Würde sein Plan aufgehen, Oma Völz damit zu beglücken?
„Das Innere Kind in mir juchzte auf; der Tankwart ließ die anderen Kunden stehen und begleitete mich nach draußen zum Weihnachtsbaumverkaufsstand.
Da stand, mein Baum, lächelte er mich etwa an? Und erste Schneeflocken zierten seine weiten Zweige, denn es war wohl der größte, je angebotene Weihnachtsbaum in der ganzen Stadt, etwa doppelt so groß wie mein VW-Käfer; meine Glückshormone über das unvermutete Geschenk verwandelten sich blitzschnell in strategisches Denken: wie bekomme ich den Baum, also diesen Baum in den Fahrgastraum, sozusagen: Käfer frisst Baum, denn auf das Dach kriegte ich ihn nicht. Also griff ich nach dem Stamm-Ende, öffnete die Beifahrertür und zog das Ungetüm mit ganzer Kraft nach innen. Und siehe: womit 1938 in Wolfsburg niemand gerechnet hatte, der Innenraum eines VW-Käfers entspricht genau den Ausmaßen einer - sagen wir – mittelgroßen Nordmanntanne. In die heutigen SUVs kriegt man ja schon einen mittelgroßen afrikanischen Elefanten unter! Ich bedankte mich artig und stieg auf der Fahrerseite durchs Unterholz ins Fahrzeug. Die Sitze liegen ja tief, wie ihr euch erinnert, doch den Schaltknüppel fand ich nicht gleich und wühlte mich mit meinem rechten Arm durch das Dickicht. Die Pedale lagen relativ frei; nur ab und zu wischte mir vor der Windschutzscheibe ein Zweig durchs Gesicht, wenn ich eine Kurve nehmen musste. Mittlerweile hatte eine feine Schneedecke sich wie Puderzucker über die Stadt gelegt, und die durch die offenen Fenster nach außen hängenden Zweige waren schon sanft „beweißt“. Witzig waren die Sprüche bei Rot an der Ampel; neben mir stehende Verkehrsteilnehmer reagierten ungewöhnlich auf meine waldige Umgebung: „Ach, entschuldigen Sie, Sie haben da was Grünes im Auto“ – „Wo geht´s denn hier zum Winterwald?“ – „Feiern Sie Weihnachten allein im Auto?“. All das konnte mich nicht davon abhalten, mich wie ein begnadeter chinesischer Zirkuskünstler mit gymnastischen Bewegungen nach Hause zu bugsieren. Ich parkte vor Oma Völzens´ Haus so, dass ich mit dem Stammende zur Haustür wies. Ich rief meine WG - Kumpanen dazu: „Heh, ihr müsst mir helfen! Ich habe einen Weihnachtsbaum für Oma Völz.“ Bald waren alle da.“
Vorbereitungen auf Weihnachten laufen!
Am Wochenende beginnt die Adventszeit. Und wir beginnen hier mit der vierteiligen Fortsetzungsgeschichte
„Raum ist in der kleinsten Hütte, Teil 1“ von Paul Cornelius.
„Es war Heiligabend beziehungsweise Heiligmittag; ich fuhr in Düsseldorf mit meinem alten VW-Käfer noch zur Tanke. Insgesamt war es ein entspannter Tag; ich hatte für meine Freunde ein paar einfache Geschenke zusammengestellt, und auch so war alles gut, wenngleich das Wetter ein bisschen unentschieden ungemütlich war, das typisch Düsseldorfer Grau ließ kein weißes Weihnachten mehr erwarten. Ich tankte für 10 Mark, das sollte über die Feiertage reichen. schnellen Schrittes eilte ich zur Kasse. Da sagte der dicke Tankwart in gemütlichsten Düsseldorfer Platt zu mir: „ He Jung. Weiße wat heut für ne Tach is´? Rischtisch: Weihnachten! Und da hab isch ein Jeschenk für dich. Du hast doch draußen die Bäum´ jesehen, da steht jetzt nur noch einer, der letzte. Und den schenk ich dir, du siehst so klamm aus, nimm en mit, für umsonst.“
Ich weiß nicht, wie mir geschah, durch meine Adern floss ein warmer zuckersüßer Weihnachtsglücksstrom. Kennen Sie das auch, wenn Sie unvermutet etwas geschenkt bekommen und freuen sich sofort tierisch darüber? Und so ein tolles Geschenk, das kann man doch nicht ablehnen; vor meinem inneren Auge sah ich den Baum schon mit goldenen Kugeln behangen. Mit rotem Kopf bedankte ich mich im feinsten Hochdeutsch: „Aber Euer Ehren, das kann doch nicht wahr sein! Eure Hoheit, ich fühle mich reich beschenkt und bin Euch zu tiefstem Dank verpflichtet!“ - „Nu mach ma halblang, du Flitzepiepe. Nur gleich mitnehmen musste dä Baum. Ich mach hier nämlich gleich Feierabend. Meine Königin,“ und dabei grinste er breit,“ erwartet mich in unserem Winterschloss!“- „Okay, okay!“, gab ich in saloppem Studentendeutsch zurück, „wird gemacht, Chef“. Plötzlich fraternisierte ich mit den einheimischen Arbeitern. Ich hatte innerlich eine kühne Idee gefasst: Neben unserer WG lebte nämlich die liebe Oma Völz, die uns so manches Mal zum Mittagessen eingeladen hatte und hervorragende Mutzenmandeln backte. Zwischen Idee und Plan war nur ein Hauch: ich wollte ihr den Baum weiterschenken, einen echten Weihnachtsbaum anstelle ihres billigen, funkelnden Plastikbäumchens; der passte zwar in ihre kleine Wohnung, die hatte aber nur ein großes Zimmer. Es hatte zu schneien begonnen.
Der November-Blues droht!
Heinrich Seidel
(1842 bis 1906) hat dafür ein poetisches Gegenmittel:
„Solchen Monat muss man loben:/Keiner kann wie dieser toben,
keiner so verdrießlich sein/ und so ohne Sonnenschein!
Keiner so in Wolken maulen,/keiner so mit Sturmwind graulen!
Und wie nass er alles macht!/Ja, es ist ′ne wahre Pracht.
Seht das schöne Schlackerwetter!/Und die armen welken Blätter,
wie sie tanzen in dem Wind/und so ganz verloren sind!
Wie der Sturm sie jagt und zwirbelt/und sie durcheinanderwirbelt
und sie hetzt ohn′ Unterlass:/Ja, das ist Novemberspaß!
Und die Scheiben, wie sie rinnen!/Und die Wolken, wie sie spinnen
ihren feuchten Himmelstau/ ur und ewig, trüb und grau!
Auf dem Dach die Regentropfen:/Wie sie pochen, wie sie klopfen!
Schimmernd hängt′s an jedem Zweig,/einer dicken Träne gleich.
Oh, wie ist der Mann zu loben,/ der solch unvernüft′ges Toben
schon im Voraus hat bedacht/ und die Häuser hohl gemacht;
sodass wir im Trocknen hausen/und mit stillvergnügtem Grausen
und in wohlgeborgner Ruh/ solchem Greuel schauen zu.“
Abel steh auf!
Beim Volkstrauertag am 17.11.2024 ab 10 Uhr in der
St.Thomas-Kirche in Bordenau werden in diesem Jahr auch die Konfirmanden ihre Beschäftigung mit dem Thema: „Kain und Abel“ vorstellen. Und es gibt ein Gedicht von
Hilde Domin dazu:
„Abel steh auf/ es muss neu gespielt werden
täglich muss es neu gespielt werden
täglich muss die Antwort noch vor uns sein
die Antwort muss ja sein können
wenn du nicht aufstehst Abel/ wie soll die Antwort
diese einzig wichtige Antwort/ sich je verändern
wir können alle Kirchen schließen
und alle Gesetzbücher abschaffen
in allen Sprachen der Erde/ wenn du nur aufstehst
und es rückgängig machst/ die erste falsche Antwort
auf die einzige Frage/ auf die es ankommt
steh auf/ damit Kain sagt/ damit er es sagen kann
Ich bin dein Hüter Bruder
wie sollte ich nicht dein Hüter sein
Täglich steh auf/ damit wir es vor uns haben
dies Ja! ich bin hier/ ich dein Bruder
Damit die Kinder Abels/ sich nicht mehr fürchten
weil Kain nicht Kain wird…“
Glücklich oder unglücklich – das ist hier die Frage!
„Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich, jede unglückliche Familie ist unglücklich auf ihre Weise. “ Mit diesen Worten eröffnet
Lew Tolstoi seinen Jahrhundertroman
Anna Karenina.
Doch wie war seine Familie? Die Ehe mit Sofja Tolstaja?
Sie war blutjung, als sie den 16 Jahre älteren, schon bekannten und von ihr verehrten Schriftsteller Lew Nikolajewitsch Tolstoi kennenlernt. Eine Woche später wird in Moskau geheiratet. Gleich nach der Eheschließung begann Tolstoi „Krieg und Frieden“ mit voller Begeisterung zu schreiben. Das Leben auf dem Lande war so erfüllt und glücklich durch die gegenseitige Liebe, vor allem durch die Arbeit an dem so bedeutenden Roman ihres Mannes. Sofja hilft ihm bei der Abschrift seines Werkes und unterstützt ihn in Wirtschaftsdingen. Die Ehejahre bringen Erfüllung. Dreizehn Kinder werden geboren.
Und plötzlich scheint alles aus dem Ruder zu laufen: Drei Kinder sterben.
Tolstoi wendet sich zunehmend von der Literatur ab und gerät in eine geistige Krise. Mit seinem langen weißen Bart und im derben Russenkittel wirkt er wie ein Abgesandter einer uralten Welt. Es kommt zu seiner „Bekehrung“. Er schreibt religiöse Traktate. Er übt Kritik am Gesellschaftssystem Russlands, an den Eigentumsverhältnissen und der sozialen Ungleichheit. Er zieht sich auch immer weiter vom Leben in der Familie zurück. Das Ehepaar entfremdete sich zunehmend. Er wird von Schwermut erfasst. Die Unzufriedenheit mit seinem Dasein wird erstrangig. Er wollte sogar sein Leben durch Erhängen beenden. Später drohte er, die Familie zu verlassen. Er suchte den Glauben an Gott. Er wurde immer schwermütiger. Er träumte davon, mit einer einfachen russischen Bauersfrau heimlich fortzugehen, vielleicht nach Amerika, um ein neues Leben anzufangen. Als Tolstoi die ebenso frauen- wie lustfeindliche „Kreutzersonate“ im Jahr 1890 zu Papier bringt, schreibt Sofja einen Gegenroman, den sie aber unveröffentlicht lässt.
Wie geht das Familiendrama aus? Erfahren Sie mehr bei der literarischen Lesung mir Johanna Korte am Montag, dem 11.November, ab 14.45 Uhr im Birkenweg 3a in Bordenau!
Gipfelstürmerin Gisela Oberheu!
Geboren 1940, so auch der Titel ihres Buches mit Erinnerungen, Gedanken und Geschichten. Sie wird in der Kleinstadt Wunstorf in einfache Verhältnisse hinein geboren. Als Kind erfährt sie Armut und Hunger. Als Mädchen mit geringer Schulausbildung muss sie schon früh arbeiten gehen und findet eine Anstellung in Bordenau: „Am 1.Juni 1954 fuhr ich zum ersten Mal nach Bordenau…am Blumenauer Schloss vorbei Richtung Liethe und dann immer geradeaus, bis rechter Hand die Bordenauer Brücke mit den Wiesen auftauchte. Kurz vor der Brücke lag links das Bordenauer Fährhaus, während sich auf der rechten Straßenseite eine merkwürdige Holzkonstruktion entlang zog, die vom Fährhaus bis zur Brücke führte. Es war der Hochwassersteg. Doch an diesem Tag ahnte ich noch nicht, wie wichtig er für mich einmal werden würde…. Ab 1960 begann die schönste Zeit meines Lebens. 1960 lernte ich Wilhelm kennen. Wilhelm besaß eine Ziegelei. Ein kleiner Betrieb außerhalb des Dorfes, umgeben von Wald und Wiesen. 1961 heirateten wir. Da saß ich nun in einem Haus, das fast zwei Kilometer vom Dorf entfernt war, ohne elektrisches Licht…. In diese Idylle wurde 1962 unsere Tochter Susanne geboren. Ich hatte alles, was ich brauchte: Einen Mann, der mich liebte, eine süße kleine Tochter und ein herrliches Grundstück.“ Von hier aus versorgten sie die Welt mit besonderen Ziegeln und prägten auch das Leben des Dorfes. Als sie vor zehn Jahren 70 wurde, fragte man sie: “Wie fühlt man sich so mit 70?“ „Ich fühle mich wie ein Bergsteiger, der den Gipfel fast erreicht hat. 70 Jahre habe ich mich abgestrampelt. Dabei habe ich mich nicht beeilt, möglichst schnell alt zu werden, aber es führt ja kein Weg daran vorbei…Wenn ich leben will, muss ich den Berg hochsteigen.“ So die Kolumne am 19.2.2020.
Jetzt hat sie ihren Gipfel erreicht! Wir gedenken ihrer als warmherzige Frau und Mutter, die so manchem Kind an unserer Scharnhorstschule als Lese-Oma besondere Geschichten vorgelesen hat.
O, singt mir nicht mit Ach und Wehe von Herbstesleid!
Otto Baisch (1840-1892) bringt seinen heiteren „Herbst“:
„Da hört man singen spät und frühe/ Von Herbstesleid,
Als ob nicht Glücks genug erblühe/Zu jeder Zeit.
Wenn ausgeträumt des Frühlings Träume, / Der Sommer tot,
Wie kleiden lustig sich die Bäume/In Gelb und Rot!
Erstarb der süße Duft der Rose, / Der Lilie Pracht,
Wie sprosst die kecke Herbstzeitlose/ Dann über Nacht!
Und wenn die zarten Sommerroben/ Verblichen sind
Wie geht sich's hübsch, den Kopf erhoben, / Im Frühherbstwind!
Wie tändelt er durch Haar und Schleier/ So neckisch hin;
Wie fühlt man da sich frischer, freier/ In Herz und Sinn!
So klar die Welt, wohin ich sehe, / Die Brust so weit!
O, singt mir nicht mit Ach und Wehe/ Von Herbstesleid!“
Hey guten Morgen, wie geht es dir?
Das ist der Titel des Deutschen Buchpreises 2024 - gerade auf der zurzeit laufenden Frankfurter Buchmesse an
Martina Hefter
verliehen.
Amazon kündigt das Buch so an: „Tagsüber hilft Juno ihrem schwerkranken Mann Jupiter dabei, seinen Alltag zu meistern. Außerdem ist sie Künstlerin, tanzt und spielt Theater. Und nachts, wenn sie wieder einmal nicht schlafen kann, chattet sie mit Love-Scammern im Internet. Martina Hefter hat einen berührenden Roman über Bedürfnisse und Sehnsüchte im Leben geschrieben. Und darüber, wie weit man bereit ist, für die Liebe zu gehen. Juno schreibt online mit Männern, die Frauen online ihre Liebe gestehen und so versuchen, sie um ihr Geld zu bringen. Doch statt darauf hereinzufallen, werden genau diese Männer zu einer Form von Freiheit für Juno. In den Gesprächen kann sie sein, wer sie will und sagen, was sie will – und das vermeintlich ohne Konsequenzen. Ganz im Gegensatz zu ihrem sonstigen Leben, in dem sie immer unterwegs, immer besorgt um Jupiter, immer beschäftigt und eingebunden ist. Also flüchtet Juno ab und zu vor ihrem Alltag ins Internet und spielt dort Spielchen mit Männern, die sie anlügen. Sie selbst wird zur Lügnerin. Aber ist es nicht so, dass man sich beim Lügen zuallererst selbst belügt? Eines Tages trifft Juno auf Benu, der ihre Behauptungen ebenso durchschaut wie sie seine. Und trotz der Entfernung zwischen ihnen entsteht eine Verbindung. »Hey guten Morgen, wie geht es dir« ist ein tiefgehender Roman, aber so leichtfüßig wie eine Komödie.“ Apropos, wenn Sie Internetkomödien mögen, der Theater- und Konzertkreis Neustadt lädt am 1.2.2025 ein zu „Gut gegen Nordwind“ von Daniel Glattauer: „Eine spannende und zugleich gefühlvolle Komödie, bei der Emmi Rothner mehrmals versucht, ihr Zeitschriftenabonnement zu kündigen, aber aufgrund eines Tippfehlers die Nachrichten immer bei Leo Leike landen. Aus der anfänglich irregeleiteten E-Mail entwickelt sich eine sehr persönliche Freundschaft – oder handelt es sich doch um eine Liebesbeziehung? Dieser Digitalflirt, der die heutige Kommunikation über Onlineportale perfekt widerspiegelt, ist pointenreich, unterhaltsam, voller Gefühle und birgt viele Überraschungen. Ob aus der virtuellen Beziehung zweier unbekannter Persönlichkeiten mehr entsteht und ob ein reales Treffen zustande kommt …“
Die Kunst der Andeutung oder damit rechnen Sie nicht!
Damit hatte er nicht gerechnet, dass genau das passieren würde. Hätte er es ahnen können? Hätte er sich darauf vorbereiten müssen? Er hat sich nicht vorstellen können, dass das passieren könnte, was sein ganzes Leben verändert. Wie oft hatte er schon daran gedacht, ohne sich die Konsequenzen auszumalen. Dennoch hatte er so eine Art Vorahnung; eine gewisse Bangigkeit hatte sich in letzter Zeit eingeschlichen, ein seelisches Zittern und Erbeben, dass es passieren könnte, und all seine Bemühungen, Grund in die Verhältnisse zu bekommen, letztlich umsonst sein würden. Er war dem ausgeliefert und konnte sich in seinen kühnsten Vorstellungen nicht ausdenken, was dann noch alles geschah, und alles veränderte, sein Leben, seine Freundschaften, einfach alles. Damit hatte er nicht gerechnet, und er machte sich Vorwürfe über seine Naivität und Einfalt, einfach darauf zu hoffen, dass es noch vorübergehen würde. Vergeblich!
Liebe Lesende: Was könnte da wohl passiert sein?
Hallo, da bin ich wieder!
Hallo, da bin ich wieder! Hallöchen, liebe Leute! Kennt ihr mich noch? Die
Tochter vom Orgelbauer Bethmann, Eure Betti? In Bordenau und Poggenhagen kennen
mich alle. Ja, ich war ganz lange weg, in der Orgelbauwerkstatt vom Jörg Bente.
Da haben sie mir aber auch jedes Teil untersucht, repariert, ausgetauscht,
nachgebaut – ich kam mir vor, wie auf der Intensivstation! Nur viel länger! Doch
keine Sorge: Ich hab´ immer ganz fest dran geglaubt, dass die Bentes mich wieder
zum Leben erwecken. Und – Trara! Jetzt haben sie mich seit ein paar Wochen
wieder auf die Bordenauer St.-Thomas-Empore gebracht. Endlich bekomme ich auch
wieder eine richtige Lunge mit zwei riesigen Windbälgen, genau so, wie sie mir
mein Papa vor 203 Jahren zur Geburt mitgegeben hatte. Auch die riesigen tiefen
Pfeifen haben die Jungens wieder nachgebaut. Meine alten Basspfeifen waren doch
schon früher wegen totaler Wurmstichigkeit rausgeflogen. Augenblicklich werden.
gerade noch alle meine 658 Pfeifen wieder ganz sauber gestimmt. Das macht der
Chef selbst. Und der Restaurator kümmert sich um mein Make-up, sogar das
Blattgold macht er neu! Hurra, ich glänze wieder! Und dann solltet ihr mich mal
hören! Meine tolle Stimme – wie in alten Zeiten! Am 6. Oktober werde ich im
Gottesdienst um 11 Uhr feierlich wieder eingeweiht, und um 17 Uhr habe ich dann
im Konzert mit Jan Katzschke meinen ersten großen Soloauftritt! Aber
wahrscheinlich werden diese beiden Termine schon eh so gerammelt voll sein, dass
ich euch empfehle: Kommt lieber zu meinen nächsten Solo-Auftritten! Am Freitag,
dem 1. November, spiele ich zusammen mit dem Organisten der hannoverschen
Marktkirche, Ulfert Smidt. Und am 22. November, auch um 17 Uhr, kommt der
Organist der hannoverschen Neustädter Hof- und Stadtkirche, Jonathan Hiese. Wenn
ihr mich da besucht, verspreche ich euch, werde ich mich besonders darum
bemühen, euch zu gefallen! Ach, wenn Papa doch nur diese Wiedergeburt miterleben
könnte!
Es wird auch noch gesungen!
Bei unserer „LESESTUNDE“ am 3.Oktober 2024 um 16 Uhr im Dorfgemeinschaftshaus Bordenau wird
Andreas Hagemann auch Lieder aus der sogenannten „Mundorgel“ vortragen: 1951 entstand in einem Sommerlager des Evangelischen Jungmännerwerkes, Kreisverband Köln, die Idee, für die Zeltlagerarbeit ein handliches Liederbuch zusammenzustellen, das erstmals 1953 erschien - eben ein kleines Liederbuch im praktischen Hemdtaschenformat, zudem möglichst preisgünstig. Inzwischen wurde das Liederheft bisher rund 14 Millionen Mal verkauft.Die Auswahl der Lieder hat sich im Laufe der Zeit deutlich verändert. So landete zunächst manches in der Mundorgel, was während der Zeit des Nationalsozialismus von der Hitler-Jugend (HJ) vereinnahmt worden war. Solche Lieder fielen bei den Überarbeitungen ebenso heraus wie Texte, in denen von „Negern“ oder „Zigeunern“ die Rede war oder die allzu militaristisch daherkamen. 1964 erschien neben der gewohnten Textedition die erste Notenausgabe mit Gitarrengriffen. Wir bringen hier mit „Die Dämmerung fällt“ die Worte und Weise von Karl Albert Christel in der Originalfassung circa 1930:
„Die Dämmerung fällt, wir sind müde vom Traben.
Die Straßen, sie haben der Steine so viel.
Lasst sie für heute allein. Lasst sie für heute allein.
Es ist uns bestimmt, mit brennenden Füssen
die Unrast zu büsen, die der Tag mit uns bringt.
Bald Kameraden ist Ruh‘. Bald Kameraden ist Ruh‘.
Wer weiß wo der Wind uns morgen schon hinweht,
wo keiner mehr mitgeht, der Bruder uns ist.
Bald sind wir alle allein. Bald sind wir alle allein.“
Lieber spät als gar nicht!
Ein altes Lied! „Das Fräulein stand am Meere
Und seufzte lang und bang,
Es
rührte sie so sehre
Der Sonnenuntergang.
Mein Fräulein! sei´n Sie munter,
Das ist ein altes Stück;
Hier vorne geht sie unter
Und kehrt von hinten
zurück.“
(Heinrich Heine, 1797 bis 1856) Anmerkung der Redaktion: Ab
Januar 1972 verschwand die Anrede „Fräulein“ offiziell aus dem Amtsdeutsch -
durch einen Erlass von Hans-Dietrich Genscher (FDP). Bereits ab 1950 hatten
sich im Frauenreferat die Beschwerden von Frauen gehäuft, die nicht mehr als
"Fräulein" bezeichnet werden wollten.
Lieber spät als gar nicht!
Die lesen ja immer noch weiter! „Bordenau – Unser Dorf liest“ will am
3.Oktober 2024 um 16 Uhr im Dorfgemeinschaftshaus Bordenau eine
„LESESTUNDE - mit Musik“ - Geschichten von damals und heute" vortragen. Da werden
Erinnerungen wach! Ausgangspunkt waren Geschichten aus Schulbüchern für die
8. bis 10. Klassen aus den 60er und 70er Jahren. Dramatisch packende,
erschütternde Geschichten, die die jugendlichen Gemüter aufrütteln sollten
und meist in die berüchtigten Besinnungsaufsätze mündeten; es gibt aber auch
viel Heiteres und Klassisches. Musikalisch treten Lieder aus der berühmten
Mundorgel dazu, vorgetragen von unserm Musikermeister Andreas Hagemann. Es
handelt sich dabei um uralte Volks- und Kunstlieder; ohne nun nur
romantisch, rückwärtsgewandt und deutschtümelnd zu erscheinen, wollen wir in
diesen bewegten Zeiten und am traditionellen „Tag der deutschen Einheit“
auch ein bedeutsames Zeichen setzen: wir tragen die „Kinderhymne“ von
Bertolt Brecht vor:
„Anmut sparet nicht noch Mühe /Leidenschaft nicht noch
Verstand Dass ein gutes Deutschland blühe / Wie ein andres gutes Land. Dass
die Völker nicht erbleichen /Wie vor einer Räuberin Sondern ihre Hände
reichen / Uns wie andern Völkern hin. Und nicht über und nicht unter /Andern
Völkern wolln wir sein Von der See bis zu den Alpen /Von der Oder bis zum
Rhein. Und weil wir dies Land verbessern /Lieben und beschirmen wir's Und
das liebste mag's uns scheinen /So wie andern Völkern ihrs.“ Die Rechte an
dem Text liegen beim Suhrkamp-Verlag, Berlin. Unsere ältere kulturelle
Initiative sucht zum Vortrag der Hymne noch einen jungen Menschen, der
diesen Text verstehen kann und mit der entsprechende Freude vorbringt.
Lieber spät als gar nicht!
In der ersten Kolumne dieser Reihe 1996 gab uns der deutsche Schriftsteller, Herausgeber und Journalist
Peter Härtling (1933-2017) das literarische Motto vor: „Erzähl weiter, lies weiter, denk weiter…“ Jetzt veröffentlichen wir hier mit Zustimmung des Verlags Kiepenheuer & Witsch, Köln, sein
„Spätes Liebeslied
Komm, wir gehen Berge versetzen.
Wir stülpen die kranke Erdhaut um.
Komm, wir spielen mit dem Entsetzen
Und nehmen Katastrophen nicht krumm.
Komm, wir lieben den Himmel herunter.
Er schmutzt das weißeste Linnen ein.
Komm, wir dichten die Finsternis bunter
Und kehren bei den Giftmischern ein.
Komm, wir fügen uns zusammen
Zu einem Stein, der im Feuer besteht.
Komm, hab keine Furcht vor den Flammen.“
Komm, ehe der Welt der Atem vergeht.“
Und das passt in diesen Wochen auch zum Welterschöpfungstag, den eine Gruppe beim Stadtfest
am 7.9.24 als großes Gedicht plakatiert.
Hajo dreht wieder auf!
Am Samstag , dem 31. August 2024, brummt wieder der Bär in Bordenau: Mixed Music Open Air mit mehr als 15 Musikern, Bands und DJs. (Die NZ berichtete) . Das Line-up ist international, Vom Plattenteller wird von Funk bis Hardstyle ein breiter Mix zu hören sein. Auch Livemusik gibt es aus vielen Genres, darunter Pop, Rock, Punk, Hip-Hop, Brass und mehr. Neben dem Hauptact aus Hamburg „Montrea“ gibt es Auftritte von Drebsen, Passepartout, Pinto, Neptunica und Eddy Brain.
Diesmal im Hauptprogramm die Gruppe „Drebsen“, die unter dem Label „NNR“ für „NoNameRecords“ auch bei einem namhaften Musikportal vertreten ist.
Hier bringen wir den Anfang von „Alles okay“, schon mal zum Einstudieren:
„Ich steige ein - in den Bus
Draußen zwitschern schon die Vögel, doch ich habe keine Lust
Zu gehen!
Aus dem Club!
Fühl den Bass immer noch so, als wär´ der DJ um mich rum
Und wenn ich dich seh
Ist plötzlich wieder alles okay
Es tut nicht mehr weh
Bitte sag: "Es ist noch nicht Zeit zu gehen"“
Den Feiernden viel Spaß und den übrigen Bordenauern eine geruhsame Nacht!
Begegnung mit der Fremden! (2)
In unserer zweiteiligen Erzählung beschäftigt sich Ingrid Bruchwald, Wunstorfer Autorin der Textschmiede mit dem Thema Demenz. Was bisher geschah: Die Tochter Greta hatte ihre Mutter im Altenheim besucht. Die Mutter hatte ihre Tochter aber nicht erkannt.
„Wie bei jedem Besuch holt Greta das Fotoalbum aus der Tasche und legt es ihrer Mutter auf den Schoß.“ Erstaunt, als hätte sie Greta gerade erst bemerkt, schaut die Frau im Sessel zu ihr hin. „Trudi, wie schön, dass du mich besuchst!“ Zärtlich streichelt sie mit dem Handrücken Gretas Wange. „Ja, wir beide“, murmelt sie, und ihr müder Blick wandert wieder durch das Fenster ins Nirgendwo.
Gertrud war Mutters kleine Schwester, also Gretas Tante. Sie war auf der Flucht gestorben – Gretas Mutter hat nie etwas davon erzählt, nie auf Fragen geantwortet. Greta öffnet das Album. „Hier, Onkel Heinrich … und Tante Ida … ihr musste ich immer helfen beim Erbsen palen … das sind die Eltern von Ernst … und das sind unsere Eltern …“ Ein knochiger Finger huscht über die schwarz-weißen Bilder.
„Mama, wie war das damals mit Trudi?“, wagt Greta mit leiser Stimme wieder einmal die Frage. Die Seniorin stößt das Fotoalbum vom Schoß, krümmt sich zusammen, beginnt zu wimmern wie ein Kind.
„Nein, bitte nicht“, meint Greta einige Wortfetzen zu verstehen, „nicht Trude! Nimm mich! Nicht Trude!“ Beschwichtigend legt Greta die Arme um die bebenden Schultern ihrer Mutter. „Nein, lass mich los, nein?“, kreischt die Seniorin voller Angst und beginnt mit erstaunlicher Kraft um sich zu schlagen. „Mama, ich bin es doch, Greta!“
Die Tür wird aufgerissen. „Was machen Sie denn da?“, tönt die vorwurfsvolle Stimme der Pflegerin. Greta hebt das Album auf, streicht ihrer Mutter liebevoll über die Wange, fühlt Feuchtigkeit
„Mama, ich bin es doch … Greta, deine Tochter. Morgen komme ich wieder.“
Zusammengesunken sitzt die grauhaarige Frau im gemütlich anmutenden Sessel und schaut durch das Fenster.
Hat sie die Worte nicht verstanden?
Leise schließt Greta die Tür.
Sie wird wiederkommen.
Begegnung mit der Fremden! (1)
In einer zweiteiligen Erzählung beschäftigt
sich Ingrid Bruchwald, Wunstorfer Autorin der Textschmiede mit dem Thema
Demenz: „Frau Staunich, Besuch für Sie!“ Leise schließt sich die Tür.
Regungslos sitzt die grauhaarige Frau in einem gemütlich anmutenden Sessel
und schaut durch das Fenster. Hat sie die Worte der Schwester nicht
verstanden? Mit wenigen, zögerlichen Schritten ist Greta bei ihr – das
Zimmer ist nicht groß - und legt ihre Hände behutsam auf die alten Schultern
… wie zerbrechlich sie sind, wie die Knochen eines Vögelchens. „Was wollen
Sie hier?“, kreischt die Seniorin, dreht sich um und funkelt Greta aus
wässrigen Augen an – früher waren sie enzianblau gewesen, Papa hat immer
erzählt, wie er sich in diese Augen verliebt hat. „Hallo Mama!“ Greta haucht
einen Kuss auf die faltige Wange. „Gehen Sie weg!“ Die Worte tun weh, aber
Greta hat gelernt, sie zu ignorieren. Sie stellt einen Stuhl neben den
Sessel, setzt sich und schaut nun ebenfalls in die Ferne vor dem Fenster.
„Kennen wir uns?“, lässt es sich aus dem Sessel hören, und Unsicherheit
klingt in dieser Frage mit. Greta schließt die auf der Armlehne ruhende Hand
behutsam in die ihre. Diese vertraute Hand, die ihr die fiebernde Stirn
gekühlt, die Schulbrote belegt und Fingernägel geschnitten hatte, die ihre
Klassenarbeiten unterschrieben und ihr ein Faschingskostüm genäht hatte
(Holländerin, obwohl sie viel lieber eine Indianerin gewesen wäre), die ihr…
Mit einem „Lassen Sie das!“ reißt sich die Hand los. Greta betrachtet ihre
eigene, verlassene Hand - die Hände ihrer Mutter, die zwischen deren
Schenkeln Schutz gefunden haben. Früher waren sie nur selten zur Ruhe
gekommen, hatten Kartoffeln geschält, Strümpfe gestopft, Pflaster geklebt
und Bilderbuchseiten umgeblättert… Greta kennt das Verhalten ihrer Mutter,
diese verstörende und manchmal auch verletzend anmutende Zurückweisung.
Diese ihr so vertraute Frau hatte vor einige Zeit ihr Leben verlassen, ohne
zu sterben, hatte sich auf den Weg in eine andere Welt gemacht, in eine
leere Fremde, ohne Erinnerungen – und ohne Greta, ihre Tochter. Wie bei
jedem Besuch holt Greta das Fotoalbum aus der Tasche und legt es ihrer
Mutter auf den Schoß.“ Was wird weiter passieren? Lesen Sie in der nächsten
Woche den Schluss der Geschichte.
Oma Stockmann auf Inlinern bei Heimolympiade!
„Allerdings bestand ich darauf, nicht im Ort, sondern auf den schmalen Betonwegen zwischen den Feldern und Wiesen der Leinemarsch zu laufen. Dort angekommen griff ich optimistisch nach den plumpen, steifen Schuhen mit den acht Rollen darunter, schlüpfte hinein und zog die Schnallen der hohen Stiefel an den Füßen richtig fest. So, dachte ich, jetzt nur noch gerade aufgerichtet und ab geht die Post. Zufrieden mit mir richtete ich mich auf. Huch, was ist denn das? Warum wankt der Boden unter meinen Füßen? Händeringend suchte ich nach einem Halt, wobei meine Arme wild rotierten wie Mühlenflügel bei heftigem Wind. Doch alles war vergebens, denn ich landete hart und unsanft auf meinem Allerwertesten. Jedoch hilfreiche Hände halfen mir sogleich wieder aufzustehen. Nun etwas vorsichtiger geworden, versuchte ich es, mit kleinen, rollenden Schritten wie beim Schlittschuhlaufen voranzukommen. „HURRAH! Es klappt,“ rief ich entzückt in die Gesichter meiner Enkelkinder. Mutig, mit geschwollener Brust rauschte ich als Erste davon. Jedoch in voller Fahrt fiel mir siedend heiß ein, dass ich etwas vergessen hatte: Wie musste ich bremsen? Wie bekam ich diese verflixten Rollen nur zum Stehen? Innerlich schrie ich stumm um Hilfe. Doch die Rollen der Inliner rollten schnell und leicht über den Asphalt des Weges weiter und sangen dabei ihr hohes fröhliches Lied. Nur, in sichtbarer Nähe würde dieser Weg enden, und dahinter befand sich ein tiefer Graben. Ob dieser Graben Wasser führte? Klar, bei diesem vielen Niederschlag, der in den letzten Tagen gefallen war. „Omi bremsen, Omi bremsen!“ hörte ich auch schon meine Enkelkinder rufen. Das ist mir wohl klar, nur wie? Zu meiner Schande muss ich gestehen, beim Langlaufski benutzte ich in solch heikler Situation oft meine Backenbremsen. Doch hier? Der Beton war hart und die Rollen rasten fröhlich weiter, da die Piste auch noch etwas abschüssig verlief. Mein unsagbarer Stolz, seht her wie ich noch Skaten kann, versank zusehend in Unsicherheit und Schrecken. Mit Entsetzen stellte ich außerdem noch fest, dass ich den Klee, die Butterblumen und den gelben Löwenzahn, die am Uferrand des Grabens leuchteten, schon recht gut unterscheiden konnte, als plötzlich ein Schatten, den ich aus den Augenwinkeln wahrnahm, an mir vorbei huschte. Und dieser Schatten drehte auf der Stelle eine rasante Kurve, so dass ich vor Neid erblasste. Augenblicklich stemmten sich zwei Fäuste gegen meine Brust, um meinen schnittigen Lauf zu stoppen. Gleichzeitig ergriffen rechts und links Hände meine unbändig rudernden Arme, die mich sanft vor dem Wasser führenden Graben retteten. Hörbar erleichtert, ihren angehaltenen Atem ausgestoßend, schauten mich meine Enkelkinder vorwurfsvoll an. Julia, aschfahl im Gesicht meinte: „Oh man, mir ist vor Angst mein Herz in die Hose gerutscht.“ Kerstin, die immer noch meine Brust hielt, schaute mich stumm an und schüttelte dabei ihren Kopf. „Warum um Himmelswillen hast du nur nicht gebremst?“ warf Christiane mir mit zugeschnürter Kehle vor. Aber selbstbewusst wie ich war, meine zitternden Kniee verbergend, sagte ich: „Ich bin aber nicht gefallen.“
Hochgeschwindigkeitsbälle lesen!
In unserer Reihe : „Historische Kolumnen: Bordenau - Unser Dorf liest“
bringen wir heute den 565. Artikel aus der Neustädter Zeitung vom 27.8.2008
„Hochverehrte Leserschaft!
Wir haben an dieser Stelle schon auf viele Möglichkeiten hingewiesen, wo überall Texte stehen können und wie diese gelesen werden können, sei es zum Beispiel durch das geschickte Textplatzieren einer Telefonfirma, die einen scheinbar privaten handschriftlichen Brief benutzt und, beiläufig in Zeitungen eingeklebt, so die Aufmerksamkeit des potenziellen Kunden als Leser des Verbotenen auf sich zieht. Oder nehmen wir den an den Himmel geschriebenen Liebesgruß, der weithin über alle Dörfer zu lesen ist, also vielleicht auch vom geliebten Adressaten. Eine ganz kuriose Lesart ergab sich in der letzten Woche bei den Olympischen Spielen in der Disziplin Tischtennis. Sportkommentator Michael Creutz berichtete über das Finale zwischen Malin für China und Timo Boll für Deutschland im Mannschaftsfinale der Herren. Dabei sagte Creutz, Timo Boll könne aus kurzer Distanz die Aufschrift auf dem Tischtennisball lesen, auch wenn sich dieser mit hoher Geschwindigkeit bewege. Und daraus, wie sich die Schrift drehe, könne er eben den Spin des Balles ermitteln, um seine Antwort, nämlich den siegreichen Schlag, vorzubereiten. Und Sportkommentator Michael Creutz steigerte sich im Laufe seiner Reportage noch: “Diesen Ball hat er nicht richtig gelesen”. Jetzt also wissen wir, wie wir auch den Letzten noch ans Lesen bekommen: schreiben Sie Ihren Brief einfach auf einen Tischtennisball und spielen Sie mit Ihrem Partner! Dass diese Art zu lesen allerdings nicht vor übriger Blindheit schützt, gab wohl Timo Bolls Ehefrau zur Kenntnis: “ Wenn am Boden dreckige Wäsche rumliegt, sieht er das nicht!” Merke: Nicht jeder, der die Aufschrift von Hochgeschwindigkeitsbällen lesen kann, eignet sich auch gut für die so wichtige Hausarbeit!“
Anmerkung der Redaktion: Timo ist auch in Paris dabei! Der Mannschafts-Wettbewerb startet am 5. August mit dem Achtelfinale. Dann wird Timo Boll seine siebten Olympischen Spiele in Folge bestreiten. In Sydney 2000 gab er sein Debüt, die Spiele von Paris 2024 werden sein letzter Auftritt auf der großen internationalen Bühne sein.
Worum geht es bei den Olympischen Spielen?
Die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit wurden am 6. April 1896 eröffnet. Bis zum heutigen Tage befindet sich die „Olympische Bewegung“ im Wachstum. Unter der olympischen Idee versteht man eine Haltung, die auf der Ausgewogenheit von Körper und Geist beruht. Sport, Kultur und Erziehung sollen in einer Lebensweise verbunden werden, die auf Freude am körperlichen Einsatz, auf dem erzieherischen Wert des guten Beispiels und auf der Achtung fundamental und universell gültiger ethischer Prinzipien beruht.
Übrigens ging es am Anfang auch um Kulturwettbewerbe: Im Mai 1906 organisierte Pierre de Coubertin eine Konferenz in Paris, zu der neben IOC-Mitgliedern auch Vertreter von Künstlerorganisationen eingeladen waren. Die Konferenz endete mit einem Auftrag an das IOC, in den fünf Bereichen Architektur, Literatur, Musik, Malerei und Bildhauerei Kunstwettbewerbe durchzuführen. Die eingereichten Kunstwerke mussten dabei vom Sport inspiriert sein. In den folgenden Jahren wurden dann solche Wettbewerbe durchgeführt.
Ziel der Olympischen Bewegung bleibt es, zum Aufbau einer friedlichen und besseren Welt beizutragen und junge Menschen im Geiste von Freundschaft, Solidarität und Fair Play ohne jegliche Diskriminierung zu erziehen. „Charaktereigenschaften anderer Völker schätzen und bewerten. Sich gegenseitig messen, übertreffen, das ist das Ziel. Ein Wettstreit mit dem Frieden“, lautet de Coubertins Vorstellung dazu. „Um einander zu achten, muß man sich zunächst kennen“, wird eine weitere Erkenntnis des „Vaters der olympischen Spiele der Neuzeit“ zitiert.
Während der olympischen Spiele sollten alle Kriegshandlungen ruhen ist dagegen ein weit verbreitetes Missverständnis - dagegen wäre ohnehin auch bisher jedes Mal verstoßen worden. Der olympische Friede war und ist ein „Wegfriede“, der freies Geleit zu und von den Wettkämpfen garantieren sollte - und friedliche Spiele selbst. Auch Letzteres war nicht immer sichergestellt wie München 1972 traurig zeigte.
Da werden Erinnerungen wach!
„Bordenau – Unser Dorf liest“ will eine „LESESTUNDE – mit Geschichten von damals und heute" vortragen.
Ausgangspunkt waren Geschichten aus Schulbüchern für die 8. bis 10. Klassen aus den 60er und 70er Jahren. Dramatisch packende, erschütternde Geschichten, die die jugendlichen Gemüter aufrütteln sollten und meist in die berüchtigten Besinnungsaufsätze mündeten – wir erinnern uns zum Beispiel an Georg Brittings „Brudermord im Altwasser“. Schaurig, schaurig!
Für unsere geneigte Zuhörerschaft haben wir den Radius der Geschichten noch etwas erweitert; da fallen dann so große Namen wir Fontane, Kafka, Else Lasker-Schüler, selbst Schillers „Wallenstein“ mit seinem Monolog ist dabei. Und auffallend viele Tiergeschichten, auch eine Wolfsfabel von Lessing!
Und es haben sich wieder zehn lesebereite Mitbürger gefunden für den 3. Oktober 2024 im Dorfgemeinschaftshaus ab 16.00 Uhr. In zwei konzentrierten Stunden wollen wir zusammen mit Musiker Andreas Hagemann, der auch „Mundorgellieder“ aus dieser Zeit antönen wird, das Publikum auch an dessen eigene Schulzeit erinnern – mit einer entsprechenden Pause dazwischen.
Deutsche Literaturgeschichte vom Feinsten, aber auch moderne Erzählungen sind geplant. Und wir suchten nach besonders schönen Geschichten, die überwiegend fröhlich, aufmunternd und menschlich sein sollten – in einer Zeit, die das ebenso gut vertragen kann wie unsere hochverehrte Zuhörerschaft.
Wir haben gewählt; wir mussten reduzieren! Jetzt geht es nur mehr um die Reihenfolge. Und die Altrewa-Stiftung unterstützt uns bei den Kosten, denn die Kulturtöpfe der Stadt sind lange leer! Dafür bleibt der Eintrittspreis erträglich.
Fabelhafter Autoritarismus und dessen reale Folgen am Beispiel der Frösche, die einen König haben wollen!
„Müde der Demokratie, schrien die Frösche tausendtönig,
Und nicht eher ruhten die Schreier, bis einem Herrn sie Zeus macht' untertänig.
Vom Himmel fiel herab ein höchst friedfert'ger König;
Doch macht sein heft'ger Fall solch einen Lärm, dass sie,
Dieses Volk der sumpf'gen Strecken, dumm wie's ist, und leicht zu schrecken,
Schnell im Wasser sich verlor, unterm Schilf, im Binsenrohr,
In den Löchern des Morastes, und lang' sich nicht getraut ins Angesicht des Gastes zu schaun; denn ihnen kam er wie ein Riese vor. Nur ein Klotz lag da im Moor;
Doch seine stumme Würd' erregte Furcht und Grauen dem ersten, der sich vorgewagt aus seiner Höhl', ihn anzuschauen.
Er naht sich ihm, doch sehr verzagt; ein zweiter, dritter folgt, bald kommt herbeigejagt ein heller Hauf', und diese Schlauen sind endlich ganz voll Mut und springen voll Vertrauen
Auf ihres Königs Schulter dreist herum. Der gute Herr lässt sich's gefallen und bleibt stumm.
Bald macht das dumme Volk dem Zeus viel Kopfzerbrechen:
»Gib uns 'nen König, der sich regen kann und sprechen!«
'Nen Kranich sendet nun der Götterfürst den Frechen; der beginnt sie abzustechen und zu speisen nach Begier.
Wie die Frösche Klag' erheben, spricht Zeus: »Potz Blitz! Was wollt ihr? Sollen etwa wir nur euren Launen stets nachgeben?
Zunächst war's wohl der klügste Rat, zu wahren euren alten Staat.
Da dies nun nicht geschehn, so musst' es euch genügen,
Dass euer erster Fürst voll Mild und Sanftmut war.
Den hier behaltet, um nicht gar vielleicht 'nen Schlimmern noch zu kriegen!«“
(Jean de la Fontaine)
Kindliche Spielfreude überwältigt Millionäre!
Gut, die Fußballeuropameisterschaft der Männer läuft, immer noch besser als jeder Krieg zwischen den Völkern! Obwohl Bill Shankly (1913-1981), schottischer Fußballspieler und -trainer, gesagt hat: "Einige Leute halten Fußball für eine Sache von Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Ich versichere Ihnen, dass es viel ernster ist!" Doch nicht wie zur Zeit der Brot-und-Spiele-Politik im römischen Reich, bei der in den Arenen die Massen ihren Siegestaumel feierten, liegt die Sache bei diesem runden Ding, das ins Eckige muss, doch etwas anders. Das liegt am Spielgerät, dass nämlich der Ball – für manche Philosophen ein Symbol für die Welt, so unkalkulierbar bleibt. Zwar kann man ein Spiel auch lesen, aber nach Martin Heidegger bleibt ein Rest von Unberechenbarkeit beim Tritt nach dem Ball. Umso mehr freut sich der Spieler, wenn er richtig trifft, beziehungsweise andersrum den Ball erfolgreich abwehren kann. Und so freute sich der Spieler Rüdiger noch in der vorletzten Minute des vorletzten Spiels, als ihm das gelang, bereits am Boden liegend überschwänglich wie ein Kind über seine gelungene Aktion. Und plötzlich waren nicht nur die Millionen an den Bildschirmen begeistert, sondern auch die Millionäre von der eigenen Spielfreude überwältigt. So bleibt der Fußball immer ein Spiel, eine Simulation des Kampfes auf Leben und Tod, aber immer noch besser, als ginge es wirklich um die Vernichtung des anderen!
Bedrohte Idylle!
In der Leineniederung zwischen Hannover und Neustadt, einer Landschaft von herber Romantik, steht das Riedhaus. Es ist ein einfaches Gebäude, gedacht als Wohnhaus für Wochenenden und Ferienzeiten. Erbaut wurde es zwischen den beiden Weltkriegen von einer losen Gemeinschaft Hannoveraner Familien, die der Wandervogelbewegung nahestanden. Für die Kinder der Familien war es ein Freizeitparadies; sie nutzten es als Abenteuerspielplatz, erlebten hier ihre Kindheit und später ihre ersten Liebschaften.
Karl schreibt 1939 über die Umgebung:
„Du kannst sagen, was du willst, aber ich finde diesen Weg entschieden schön. Er führt wie eine schmale Spur mitten durch den Kiefernwald. Wenn du zufällig einmal vom Rade steigst und dir so nebenbei die herrlich verkrüppelten und vom Sturm verzerrten Stämme ansiehst, dann kannst du leicht blaue Wunder erleben. Aber du musst schon ein wenig Gespür für solche Sachen haben. In der Kunstgeschichte steht sowas ja nun nicht. Jedenfalls müsste es da schon komisch zugehen, aber ich sage dir nochmal, dass hier mehr von Schönheit und Form zu lernen ist als in der dicken Schwarte.
Wenn du aber mal durchs Unterholz schaust, oder wenn du weißt, dass linkerhand die Sanddünen mit ihren Steilhängen liegen, hinter denen der große Fluss fließt, ich meine, wenn du immer weißt, wenn du so dahinfährst, auch wenn du gar nicht daran denkst, dann kannst du mir nachfühlen, was für einen schönen Tag ich unter den Pedalen habe.“
Doch die Idylle ist bedroht, die Herrschenden haben in die katholische Jugendgruppe einen Spitzel eingeschleust; kurz vor Kriegsbeginn spitzt sich dann die Lage zu – so in dem nächsten Buch „Das Lieben der Anderen“ von Paul FF. Cornelius.
Man spricht Deutsch, wir lesen Kafka!
Und zwar mitten in Japan! Im Literaturkreis der VHS Hannover-Land unter der jahrzehntelangen Leitung von Martin Drebs wird KAFKA AM STRAND des weltbekannten Autors Haruki Murakami gelesen. Aber können wir das alles verstehen? Dazu hatte der vor Jahrzehnten aus der Frauenbildung hervorgegangene Lesekreis in dieser Woche kompetenten Besuch: Rohi Taguchi, japanische Soziologin und Dolmetscherin vom Vorstand der Deutsch-Japanischen Gesellschaft in Hannover, kennt Murakamis Gesamtwerk und berichtete über Leben, Werk und Wirkung in Japan und der Welt. Im Gespräch mit den interessierten Teilnehmern entfaltete sie auch den kulturhistorischen Hintergrund. So wurde die Geschichte um den jungen Kafka Tamura und seine Ausreißer-Geschichte und seine vielfältigen Erlebnisse und Erfahrungen für die Teilnehmer verständlicher. Wir lernen den irren alten Nakata kennen, der nach einer rätselhaften, monatelangen Bewusstlosigkeit während seiner Kindheit im Zweiten Weltkrieg das Erinnerungsvermögen verloren hat, und die bezaubernde Saeki-san, Nakatas Gegenfigur, die eine Bibliothek leitet und unentwegt an ihren Erinnerungen schreibt. Die große Liebe, die ihr als Fünfzehnjährige begegnete, lässt sie nicht mehr los. Sie lebt so bedingungslos in der Vergangenheit wie Nakata in der Gegenwart. Dabei tritt auch immer wieder KRÄHE auf, Tamuras innere Stimme, und Krähe heißt auf Tschechisch Kafka. Und kafkaesk sind auch die vielen Erzählebenen des Buches.
Deutsch-japanische Kulturbegegnung ist möglich; und im nächsten Semester wollen (fast) alle Franz Kafka lesen. Und wenn dann der Enkel erzählt, er hätte Kafka im Abitur gehabt, dann sagt Oma: den kenn ich auch!
Welch glückliche Fügung!
„Auf dem Vulkan sind wir eigentlich nicht aber
Europa üb doch Verzicht auf höchster Weisheit letzten Schluss und wisse dass
deiner Geschichte Verdruss deine kommenden Freiheiten lähmt weil du fast
sorglos nicht bezähmt hast deine Dämonen des Irrtums die Geißeln des
Siechtums deine gottvergessenen Ungenauigkeiten die beizeiten gewiss mit
Schwierigkeiten aber doch wie Kleinigkeiten zu bestreiten gewesen wären
Würdest du wollen Europa könnte dein Wesen die Spesen des genossenen
Genusses bezahlen du könntest dann mit Zukunft prahlen ich wollte deine
Geschichten lesen der genießende Genosse ich von Sprosse zu Sprosse wollte
ich Europa aufsteigen mit dir in grundgütiger Manier in die von dir
miterdachte aufgeschwungene Freiheit.“ (aus: Alexander Tschernek, Welch
glückliche Fügung, Ich und Europa )
Ist Europa endlos?
Melancholie ist der Versuch, die Begrenztheit des eigenen
Ichs mit der Unendlichkeit des Weltalls zu balancieren. Bei der Europawahl
geht es uns ähnlich unendlich, so sind doch 350 Millionen wahlberechtigte Menschen
aufgerufen, das sogenannte europäische Parlament zu wählen, eine
repräsentative Demokratieform, in der die einzelnen abgegebenen Stimmen in
den schönen, endlosen Weiten Europas „verhallen“. So wird unsere Stimme
immer weiter in wachsenden konzentrischen Ringen mit der Welt verbunden:
über die Familie und Freunde, mit Mitbewohnern im Haus in einer Straße, die
führt in eine Siedlung, Flecken oder Dorf als Teil einer größeren
Ansiedlung, einer Stadt, einer Region, eine Landschaft. Diese gehört zu
einer vielleicht „verspäteten“ oder gar veralteten Nation, im Verbund mit
weiteren Nachbarländern – Deutschland hat sogar neun verschiedene
Grenznachbarn. Das Ganze wächst sich zu einem Kontinent bis ans Meer und in
die Berge aus, und darüber hinaus, bei Irland nämlich: Europa! „Europa ist
endlos“ sang damals die Gruppe „Kraftwerk“, und wir bei unseren
Fahrradtouren auch! Wie sollte da die Vielfalt der Menschen und Meinungen
überhaupt geeigneten Ausdruck finden? Die nicht vorhandene
Fünf-Prozent-Klausel erlaubt es auch kleineren Gruppierungen mit weniger
Stimmen einen Sitz im Parlament zu ergattern. 34 Listen stehen auf dem
Wahlzettel. Doch kein Grund, melancholisch zu werden; denn die Völker
Europas stehen vor ihren und gemeinsamen Problemen wie Klimawandel, soziale
Sicherheit, Bildung für alle, Gesundheit, Toleranz, Einwanderung,
Verteidigung und vielem mehr. So bieten die verschiedenen Parteiungen ihre
Lösungen an, und für uns besteht die Möglichkeit, sich mit der einen oder
anderen Lösung zu identifizieren im Rahmen einer gemeinsamen Wahl als
Begegnung, Austausch und Verständigung. Gute Orientierung bietet auch wieder
der Wahl-O-Mat zur Europawahl. Macht mit, denn wer in der Demokratie
einschläft, wacht in der Diktatur auf, soll Goethe gesagt haben, aber sicher
ist das nicht!
O Freunde, nicht diese Töne!“
Sondern lasst uns angenehmere anstimmen, und freudenvollere. Freude! Freude!
Freude, schöner Götterfunken
Tochter aus Elysium,
Wir betreten feuertrunken,
Himmlische, dein Heiligtum.
Deine Zauber binden wieder,
Was die Mode streng geteilt;
Alle Menschen werden Brüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt.
Wem der große Wurf gelungen,
Eines Freundes Freund zu sein;
Wer ein holdes Weib errungen,
Mische seinen Jubel ein!
Ja, wer auch nur eine Seele
Sein nennt auf dem Erdenrund!
Und wer's nie gekonnt, der stehle
Weinend sich aus diesem Bund!
Freude trinken alle Wesen
An den Brüsten der Natur;
Alle Guten, alle Bösen
Folgen ihrer Rosenspur.
Küsse gab sie uns und Reben,
Einen Freund, geprüft im Tod;
Wollust ward dem Wurm gegeben,
Und der Cherub steht vor Gott.
Vor Gott!
Froh, wie seine Sonnen fliegen
Durch des Himmels prächt'gen Plan,
Laufet, Brüder, eure Bahn,
Freudig, wie ein Held zum Siegen.
(Friedrich Schiller,1785)
Wir gratulieren nachträglich!“
„Meisterwerk konkreter Poesie“, so titelte die TAZ am Wochenende einen Artikel über das Grundgesetz. Und weiter: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das deutsche Volk bekennt sich zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft. Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Eigentum verpflichtet. Diese Evergreens aus dem Grundgesetz klingen wie eine Hymne auf die Freiheit., Respekt, Solidarität… Höchste Zeit also, dieses unübertroffene Meisterwerk konkreter Poesie – im Wortsinne – zu seinem 75. Geburtstag am 23.Mai wieder zu lesen.“ „Bordenau liest“ rezitierte in seiner Revue zum Tag der deutschen Einheit „Vielstimmigkeit der Deutschen“ neben den Menschenpflichten auch diese Grundrechte. Als Motto stand über all dem: Vom deutschen Untertan zum engagierten Mitbürger, von den Externsteinen zum Verfassungspatriotismus. Die beste Verfassung, die Deutschland je hatte, meinte Helmut Schmidt. Und der verstorbene Bordenauer Historiker Werner Besier schrieb in seinem Geleitwort zur Revue: „Der Mensch ist nicht Objekt der Geschichte. Die Menschen machen ihre Geschichte selber, deshalb müssen sie auch Verantwortung dafür übernehmen.“ Und zur Pflicht zum Zusammenwirken gehört in der Demokratie auch die Pflicht zur Kontroverse (C.Lindner). Und jetzt haben wir - laut Julie Zeh – doch große Angst, dass wir einige von uns über den Streit ganz verlieren könnten, weshalb die Kontroversen immer heftiger geführt werden. Doch wie unter guten Freunden: wir streiten uns doch am heftigsten mit denen, von denen wir wissen oder wünschen, dass sie uns nicht verlassen wie in einer Familie.
In diesem Sinne: Grundgesetz lesen und Grundwerte verteidigen!
Unglücklicher Zufall!
"Ich ging wohl hundert Male die Straße ein und aus,
ich stand bei Sturm und Regen vor meiner Liebsten Haus.
Bei Sturm und kaltem Regen stand ich vergeblich dort,
denn die gestrenge Mutter, die ließ sie ja nicht fort.
Ich selber hab dem Regen, ich hab dem Sturm getrutzt,
nur meine neuen Stiefel, die sind ganz abgenutzt.
Und heute, da ich lässig an meinem Fenster steh,
trifft sich’s, dass ich mein Liebchen vorübergehen seh.
Sie nickt und winkt verstohlen, sie sieht mich zärtlich an,
und ich, ich kann’s nicht sagen, dass ich nicht kommen kann.
Ich kann’s ihr ja nicht sagen, dem wunderholden Kind,
dass meine einz’gen Stiefel heut grad beim Schuster sind.“
Wilhelm Busch (1832-1908)
O liebe Mutter!“
Obgleich kein Gruß, obgleich kein Brief von mir,
So lang dir kömmt, lass keinen Zweifel doch
Ins Herz, als wär die Zärtlichkeit des Sohns,
Die ich dir schuldig bin, aus meiner Brust entwichen.
Du hast mich geboren / Und weiß doch nicht woher/Und weiß auch nicht wohin;
So hab ich uns verloren/Nun wundert es mich sehr/ Dass ich noch glücklich bin.
Hab Liebe gesucht, die deiner gleicht. /Hab Hassen verflucht/Das war nicht leicht.
Doch reißt die Kette nicht
Wir ewig Menschenglieder
Aus Leibesdunkel ins Licht
Wir zeugen weiter, immer wieder.
Du starbst ja nicht; du bist hinaufgestiegen
Zu reinen Geistern, meiner Mutter Geist.
Ich weiß, du siehst jetzt betend mich hier liegen;
O komm, o komm, und sag, dass du verzeihst!
Im tollen Wahn hatt ich dich einst verlassen,
Ich wollte gehn die ganze Welt zu Ende,
Und wollte sehn, ob ich die Liebe fände,
Um liebevoll die Liebe zu umfassen.
Weitere Gedichte am nächsten Montagnachmittag mit Johanna Korte im Birkenweg 3a!
JahresZeitenPoesie „Gesichter der Liebe“
Der Mai ist nach der Göttin Maia benannt. Sie war die Schutzpatronin der Fruchtbarkeit. Karl der Große führte im 8. Jahrhundert den Namen „Wonnemond“ ein. Es gibt sechs Gründe, warum der Mai als der beste Monat im Jahr ist. Der Mai ist der Monat der Liebe und der Herzen.
Erleben Sie einen romantischen Nachmittag „Gesichter der Liebe“ mit Tee und Lieblingsgebäck am
Montag, 13. Mai 2024.
Eine Kostprobe:
Unglücklicher Zufall von Wilhelm Busch (1832-1908)
Ich ging wohl hundert Male die Straße ein und aus,
ich stand bei Sturm und Regen vor meiner Liebsten Haus.
Bei Sturm und kaltem Regen stand ich vergeblich dort,
denn die gestrenge Mutter, die ließ sie ja nicht fort.
Ich selber hab dem Regen, ich hab dem Sturm getrutzt,
nur meine neuen Stiefel, die sind ganz abgenutzt.
Und heute, da ich lässig an meinem Fenster steh,
trifft sich’s, dass ich mein Liebchen vorübergehen seh.
Sie nickt und winkt verstohlen, sie sieht mich zärtlich an,
und ich, ich kann’s nicht sagen, dass ich nicht kommen kann.
Ich kann’s ihr ja nicht sagen, dem wunderholden Kind,
dass meine einz’gen Stiefel heut grad beim Schuster sind.
Die Lesung beginnt um 14.45 Uhr in der Dorfwerkstatt Bordenau, Birkenweg 3a.
Der Eintritt ist frei. Anmeldung bei Johanna Korte Tel. 05032 4434
Heraus zum 1.Mai!
Unser Komiker und Küster der Gemeinde, Harry Lewandowski, moniert auf heitere Weise, wie der eigentliche Sinn von Feiertagen durch unzählige Festivitäten überlagert wird:
Jetzt war ja wieder der 1.Mai. 1. Mai, verstehen Sie, Tag der Arbeit. Da geht es vom Ansatz her um die Lage der arbeitenden Menschen in unserem Land. Doch was sehe ich mit Blick auf den Veranstaltungskalender, jede Menge anderer Angebote. Es geht los mit dem Tanz in den Mai, okay, aber doch leider mit anschließendem Ausschlafen und eben nicht zur Demo für sichere Arbeitsplätze und höheren Mindestlohn. Dann: großes Maikäfertreffen in Hannover, gemeint sind diese hübschen nostalgischen Volkswägen - doch kein Autokorso mal für die Ampel, wo sonst nur Trecker dagegen! Oder: Großes Westernfest in Neustadt, historisch noch vor dem Haymarket-Debakel, mit dem der 1. Mai als Feiertag begann. Da kommt dann der Westernpastor in Duellmanier auf die „Saloonkanzel“, legt demonstrativ seinen Pistolengurt ab und ruft: Die Waffen nieder! Da hätte man an der historischen Eisenbahn wenigstens einen Bahnführerstreik inszenieren können. Aber am 1.Mai streikt ein John Waynelski nicht.
Da waren wir doch froh, dass der 1.Mai diesmal auf einen arbeitnehmerfreundlichen Mittwoch fiel, nicht wie sonst gefühlt „immer“ auf den Sonntag; da konnte man entweder die erste oder die zweite Wochenhälfte Urlaub machen im Freizeitpark Deutschland, in dem man ähnlich wie in Venedig bald auch Eintritt in die historische Altstadt von Quadratichendorf Eintritt zahlen müsste. Mittwochs erschien seinerzeit wenigstens die Neustädter Zeitung, da hätte dann die Losung: „Heraus zum 1.Mai!“ noch seinen Sinn gehabt. So überlagern unzählige Festivitäten den Sinn der Feiertage, was Pfingstmontag christlich los ist, weiß schon keiner mehr. Nur beim Muttertag, da überwiegen noch die lieben Blumen! Da kommen einem doch die Tränen.
Oder wollen Sie lieber lachen? Dann wie immer noch ein Witz zum guten Schluss: Zwei Kiffer fahren im Auto, sagt der Eine, fahr nicht so schnell, sagt der Andere: Ich denke, du fährst!
Also nächstes Jahr dann aber wirklich: Heraus zum 1.Mai!
Trotz alledem!
Boh! Ist das noch kalt, zu kalt für diese Jahreszeit. Da drängt sich
Ferdinand Freiligraths Frühlingsfreiheitslied von 1848 auf:
„Das war ´ne heiße Märzenzeit
trotz Regen, Schnee und alledem
Nun aber, da es Blüten schneit
nun ist es kalt, trotz alledem
Trotz alledem und alledem
trotz Wien, Berlin und alledem
Ein schnöder scharfer Winterwind
durchfröstelt uns trotz alledem
Das ist der Wind der Reaktion
mit Meltau, Reif und alledem!
Das ist die Bourgeoisie am Thron
der dennoch steht, trotz alledem!
Trotz alledem und alledem
trotz Blutschuld, Trug und alledem
Er steht noch und er hudelt uns
wie früher fast, trotz alledem!...
Doch sind wir frisch und wohlgemut
und zagen nicht trotz alledem!
In tiefer Brust des Zornes Glut
die hält uns warm trotz alledem!
Trotz alledem und alledem
es gilt uns gleich trotz alledem!
wir schütteln uns: Ein garst’ger Wind
doch weiter nichts trotz alledem!
Und wenn der Reichstag sich blamiert
Professorenhaft, trotz alledem
Und wenn der Teufel reagiert
mit Huf und Horn trotz alledem
Trotz alledem und alledem
es kommt dazu trotz alledem
dass rings der Mensch die Bruderhand
dem Menschen reicht, trotz alledem!“
Es gibt sie noch!
Die gute Nachricht! Nicht nur, „12jähriger hilft Oma über die Straße“, sondern jene kleine Begebenheit bei uns im Dorf im Einkaufsmarkt: Zwei Kinder hatten sich zwei Limos gekauft, hatten aber nicht genug Geld dabei. Also legte die Verkaufsfachkraft aus ihrer Sammlung kleiner Münzen ein paar Cent drauf. „Die habe ich über aus Münzen, die die Kunden übrighaben,“ räumt sie bescheiden ein. Hier ehren wir sie mit unserem Bericht über die gute Tat!
Nun wollen wir nur hoffen, dass nicht die Steuerfahndung Nienburg zuschlägt, um diese kleine besondere Münzsammlung zu beschlagnahmen und die Mitarbeiterin entlassen würde!
Können Menschen sich noch ändern?
Viele Menschen haben schwierige Erfahrungen gemacht, oft die, die fast unüberwindliche Ängste vor andersartigen Menschen entwickelt haben. In dem vielgelesenen Buch des Amerikaners
Philip Roth „Der menschliche Makel“ wird beschrieben, wie amerikanische Vietnamheimkehrer - quasi in einer Konfrontationstherapie - lernen, ihre fremdenfeindlichen Traumata zu bewältigen. Ein Psychologe führt sie dazu schrittweise in asiatische Restaurants in Amerika, und sie können lernen, ihre Abwehr, Scheu und Angst vor dem ehemaligen Feind zu überwinden. Wir zitieren einen kurzen Ausschnitt daraus…“Das chinesische Restaurant lag mit der Rückseite zum Fluss am nördlichen Rand von Blackwell…Im großen Fenster war eine flackernde Neonschrift angebracht: The Harmony Palace. Les(ter) brauchte nur den Schriftzug zu sehen, um den letzten Hoffnungsschimmer zu verlieren…Der Fluss aus Blut, den er durchwaten musste, um an dem lächelnden Schlitzauge an der Tür vorbeizukommen und sich an den Tisch zu setzen. Und das Grauen…, als das lächelnde Schlitzauge ihm eine Speisekarte reichte. Die krasse Absurdität, als das Schlitzauge ihm ein Glas Wasser einschenkte. Ausgerechnet ihm!“ Leslie schafft das Therapieprogramm fast erfolgreich: „Les? Les? Das hast du gut gemacht, Lester. Ich habe gesehen, wie du geschwitzt hast, und gedacht: Oh, oh, oh, das schafft er nicht. Du hättest sehen sollen, wie bleich du warst. Ich konnte es nicht fassen. Ich dachte, du würdest den Ober kalt machen.“
Wir sollten wieder mehr ins Gespräch kommen und über irrationale und unbewältigte Ängste sprechen.
Wir werden alle Jünger!
Zum Osterfest die herzlichsten Grüße von Gastkolumnist Anselm Deusgen, der mit einer besonderen Botschaft aufwartet:
„Unter den Weltreligionen war die Menschwerdung Gottes durch Christus immer umstritten, sozusagen ein Dorn im Fleische der Wahrheit. Doch was ist, wenn wir uns einmal vorstellen, dass genau das die Botschaft ist: der Herrlichkeit des Geheimnisses der Schöpfung ist für Menschen nachvollziehbar, also für jeden Einzelnen. Es gibt in den Anspielungen in der Bedeutung von Christus eine Reihe von Hinweisen, dass er nur ein Symbol dafür ist, dass jeder Mensch mit seinem Leben und seinem Glauben Zugang zu den Quellen der Weisheit der Schöpfung hat. Diese schöpferische Gegenwärtigkeit erleben wir ja alle gerade zu Ostern: du kannst alles Schlimme ertragen, Verlassenheit, Krankheit und Gekreuzigt-werden, danach ist die Auferstehung möglich – als Überwindung des Leids. In diesem Sinne werden wir alle Jünger in diesen Tagen. Oder um es mit dem Schweizer Theologen und Dichter
Kurt Marti zu sagen:
„Ihr fragt
gibt es
keine Auferstehung der Toten?
ich weiss es nicht.
Ich weiss nur
wonach ihr nicht fragt:
Die Auferstehung derer die leben
Ich weiss nur
wozu Er uns ruft:
Zur Auferstehung heute und jetzt“
In dieser zu erwartenden Freude: Frohe Ostern! Wünscht Ihr Anselm Deusgen.“
Reich zu werden traue ich mir nicht zu!
Aber reich zu bleiben! Wir suchen den reichsten Neustädter beziehungsweise die reichste Neustädterin; reich nicht an Geld, Bitcoins, Ländereien oder Bauaufträgen, sondern innerlich reich an Lebensfreude, Sinnhaftigkeit, Geselligkeit, Hilfsbereitschaft und Fröhlichkeit. Wir suchen Zeitgenossen, die sich noch an den kleinen Dingen freuen können:
- An dem Lächeln eines Kindes
- An der Schönheit des Gartens
- An der Zärtlichkeit der Sonne auf seiner Haut
- An dem Geruch des Laubes
- An dem Rauschen der Adlerflügel
- An dem geduldigen Murmeln der Leine
- An dem Nachbarn, der überraschend grüßt
- An dem Anruf eines alten Freundes
- An einem guten Wort zur rechten Zeit
- An einem schönen Gedicht
- Und an der ermutigenden literarischen Kolumne in der Neustädter Zeitung!
Bleiben Sie reich!
Wir lesen weiter – vor!
Dieser Tage trafen sich einige Mitglieder der Initiative „Bordenau – Unser Dorf liest“ und beratschlagten, was denn in diesem Jahr im Herbst zu lesen beziehungsweise vorzulesen sei. Zwei Möglichkeiten tun sich auf: Zum einen könnten wir zum dritten Mal in Bordenau
Florian Illies lesen. Diesmal mit seinem kulturhistorischen Buch:
„Zauber der Stille: Caspar David Friedrichs Reise durch die Zeiten“.
In seiner groß angelegten Reise durch die Zeiten erzählt Florian Illies erstmals die Geschichte der Bilder Friedrichs: Zahllose seiner schönsten Gemälde sind verbrannt, erst in seinem Geburtshaus und dann im Zweiten Weltkrieg, andere, wie der "Kreidefelsen auf Rügen" tauchen hundert Jahre nach Friedrichs Tod aus dem Nebel der Geschichte auf. Illies erzählt, wie Friedrichs Bilder am russischen Zarenhof landen, zwischen den Winterreifen in einer Autowerkstatt der Mafia und in der Küche einer hessischen Sozialwohnung. Von Hitler so verehrt wie von Heinrich von Kleist, von Stalin so gehasst wie von den 68ern - am Beispiel von Friedrich werden 250 Jahre deutsche Geschichte sichtbar.
Deutsche Literaturgeschichte wird auch an unserem zweiten Projekt deutlich:
„Lesestunde“ - Alte deutsche Schulbuchgeschichten aus unserer Schulzeit. Die Idee dazu hatte
Peter Tenge, dem selbst ein altes Schulbuch in die Hände fiel. Darin manche eindrucksvolle kürzere und längere dramatische Geschichte, die uns im Gedächtnis haften blieb. Nun suchen wir nach besonders schönen Geschichten, die überwiegend fröhlich, aufmunternd und menschlich sein sollten – in einer Zeit, die das gut vertragen kann. Und unsere hochverehrte Zuhörerschaft könnte es auch interessieren.
Wir halten Euch auf dem Laufenden, für was wir uns entscheiden werden.
Politik stürmt Poesie!
Unsere Kolumne bemühte sich stets meistens immer, weltanschaulich überparteilich zu sein, so in dem Sinne, wir machen hier ja nur Gedichte. Oder anders gesagt: Poesie sollte von allen Seiten zugänglich sein. Nun geht das nicht immer und manche finden schon den Ausdruck „Vielfalt“ tendenziös. Und vielleicht wird es gerade in diesem Jahr noch viel schwieriger. Unsere Autorin
Elke Horaitis hat uns ein paar ambitionierte Gedanken zu Vergangenheit und Gegenwart geschickt:
Im Märzen der Bauer …..
damals und heute – Gedanken von Elke Horaitis
Im Märzen der Bauer die Rösslein anspannt
Er pflanzt und er schneidet die Bäume im Land
Er ackert, er egget, er pflüget und sät
Und regt seine Hände gar früh und noch spät
Den Rechen, den Spaten, den nimmt er zur Hand
Und ebnet die Äcker und Wiesen im Land
So haben wir oftmals als Kinder gesungen
sind fröhlich dabei im Kreise gesprungen
Nun - seht ihr ein Ross oder gar einen Ochsen?
Die stehn doch zum Schlachten in ihren Boxen!
Nein, effizient muss es gehen, vor allem schnell
die Landwirtschaft wurde industriell
Ein Mensch, ein Traktor mit Riesen-Maschinen -
gedüngt und gespritzt - fort sind die Bienen ...
Insekten sterben und irgendwann
ist niemand mehr da, der bestäuben kann!
Wir haben so viel, weil wir subventionieren
Wir brauchen so viel, weil wir exportieren!!
Auch große Vorleser kommen irgendwann zum Schluss!
In dieser Woche verabschiedete eine große Fangemeinde den Meister des Vorlesens,
Hanjo
Kesting, bei seinem letzten Vortrag in der Stadtbibliothek Hannover mit
einer großen Erzählung der der Weltliteratur. „Bordenau liest“-Kolumnist
Martin Drebs war mit einer kleinen Bordenauer Delegation dabei. Hanjo
Kesting verdanken wir als Leiter der Hauptredaktion Kulturelles Wort (1973
bis 2006) die Hörfunkreihen „Am Morgen (und am Abend) vorgelesen“, die auch
wir Neustädter gerne an den Radios verfolgten. „Dank an den Vermittler der
Weltliteratur“, so nannte die Goethe-Gesellschaft bei der Feierstunde den
Geehrten. Hanjo Kesting hatte zuvor – zusammen mit der wunderbaren
Schauspielerin Son ja Beißwenger - in der Reihe „Erfahren, woher wir kommen“
die Erzählung von Ingeborg Bachmann „Undine geht“ vorgestellt. Der
Undine-Stoff gehört zu den traditionsreichen Stoffkreisen der europäischen
Überlieferung: Undine ist ein Wassergeist, der erst durch die Vermählung mit
einem irdischen Mann eine Seele erhält. In Ingeborg Bachmanns Erzählung von
1961 wird der Mythos dekonstruiert und verabschiedet, wie schon der Titel
deutlich macht: „Undine geht“. Hanjo Kesting beschrieb Leben, Werk und
Persönlichkeit von Bachmann, deren elfengleiche Zerbrechlichkeit Walter
Kempowski einmal bezeichnete als „Tic der Frauen, sie seien gerade aus dem
Himmel gefallen.“ „Bordenau liest“ hat seinerzeit auch Ingeborg Bachmanns
Gedichte gelesen, zusammen mit der San Marco Presse, Bordenau. Und wir haben
aus Kempowskis Monumentalwerk „Echolot“ gelesen. So haben auch wir ein paar
Zipfel der Weltliteratur nach Bordenau gebracht – und in dem brüderlichen
Sinne verabschieden wir Hanjo Kesting in einen neuen Lebensabschnitt!
Erinnert ihr euch noch an eure Kindheit?
„Es wäre gut viel nachzudenken, um
von so Verlornem etwas auszusagen,
von jenen langen Kindheit-Nachmittagen,
die so nie wiederkamen - und warum?
Noch mahnt es uns -: vielleicht in einem Regnen,
aber wir wissen nicht mehr, was das soll;
nie wieder war das Leben von Begegnen,
von Wiedersehn und Weitergehn so voll
wie damals, da uns nichts geschah als nur
was einem Ding geschieht und einem Tiere:
da lebten wir, wie Menschliches, das ihre
und wurden bis zum Rande voll Figur.
Und wurden so vereinsamt wie ein Hirt
und so mit großen Fernen überladen
und wie von weit berufen und berührt
und langsam wie ein langer neuer Faden
in jene Bilder-Folgen eingeführt,
in welchen nun zu dauern uns verwirrt.“
(Rainer Maria Rilke)
Narren-Nach-Lese!
Das Buch „Lebensabend mit Goldrand oder die zweite Erfindung des Glücks“ kommt aus der Bordenauer Schreibwerkstatt. Der Roman spielt in einer Seniorenresidenz am Rhein und ist - wie ein Jahr – in zwölf Kapitel eingeteilt und endet im Karneval mit einer Büttenrede über die „Narren des Alters“. Wir zitieren hier einige Beispiele:
„Zwölf Narren sind es hier an Zahl
Und keiner hat von euch die Wahl,
ihr seid des Lebens alte Narren,
je oller desto doller mit krachendem Karren.
…Der Neunte schaut nur noch auf Geld,
das, scheint ihm, zählt nur noch,
doch er verliert dabei die Welt
und fällt ins tiefe, kalte Loch.
…Der Ungezählte hat sich ganz verloren
Und redet bald mehr wie ein Kind;
er fühlt sich immer mehr geboren
und ist dabei nur durch den Wind.
…Der Elfte ist schon besser dran,
er kleidet, schmückt sich wie Pfau
und spiegelt sich in allen Spiegeln;
wir finden ihn bei Mann und Frau.
… So ist der Zwölfte dann der wahre Narr,
er weiß, dass er nichts wissen kann;
und seine Masken fallen dann,
er sieht sein nacktes Antlitz an.“
Einen wunderschönen „Guten Morgen“!
Wünscht uns die Bordenauer Dichterin Christine Köpcke:
„Vogelzwitschern
blinzeln
noch einmal umdrehen
Gedankenkarussell auf „Start“
Lohnt es sich, heute aufzustehen?
Gründe abwägen bis zum „Ja“
wohlig räkeln und strecken
Fünf Minuten Morgengymnastik
Frühstückskaffeeduft schnuppern
Hallo Tag – da bin ich!“
Wie haben sich die Völker doch gemischt in all den Jahrhunderten!
In unserer Reihe „Historische Kolumnen von Bordenau - Unser Dorf liest“
zitieren wir aus gegebenem Anlass aus Carl Zuckmayers „Des Teufels
General“ in der
Kolumne vom 27.4.2016.
Auch Bücher müssen ab und zu geputzt werden!
Die Bücherbude Bordenau macht Neujahrsputz: aktuelle Bestseller und Neuheiten kommen rein.
Da lohnt sich ein Besuch in der Bücherbude Bordenau, um sich für die langen, langsam heller werdenden Winterabende mit aktuellem Lesestoff einzudecken. Zu den Öffnungszeiten der Holunder-Apotheke Bordenau ist das jederzeit möglich.
Immer wieder bekommt das Bücherbuden-Team kleine und große Bücherspenden, zuletzt besonders viele aktuelle Krimis aus den 2020er Jahren. So sollen verstaubte Ladenhüter aus dem letzten Jahrhundert aktuellen und gut erhaltenen Büchern nach und nach weichen. Krimis und Romane nehmen viel Raum ein, es gibt aber auch Klassiker, Raritäten, Biografien, Kinder- und Jugendbücher, Sachbücher zu Politik, Geschichte, Gesundheit, Hobbies.
Die Regale sind übersichtlich beschriftet und laden zum Stöbern ein. Alle Neuzugänge werden gesichtet, den verschiedenen Literaturgattungen zugeordnet und mit dem Exlibris-Stempel der Bücherbude versehen.
Wer seine Begeisterung für ein gutes Buch mit anderen Leseratten teilen möchte, kann es gerne im Tausch im Regal „Rückgaben und Neuzugänge“ abstellen. Oder es in der Dorfwerkstatt Bordenau beim nächsten
„Lieblingsbuch-Abend“ am Dienstag, den 19.3.24 von 19 bis 21 Uhr den Zuhörenden vorstellen und schmackhaft machen.
Wer mehr als drei aktuelle Bücher spenden möchte, meldet sich bitte bei Martin Drebs unter 05032-1426.
“Vielleicht gehört es überhaupt zum Genuss des Lesens, dass man den Reichtum seiner eigenen Gedanken entdeckt“ (Max Frisch)
Stell dir vor, es ist Frieden, und jeder geht hin!
Am Donnerstag, den 25.1.24, lädt die Friedensinitiative Neustadt/Wunstorf zum kulturellen Neujahrsempfang ins Schloss Landestrost ein. Um 19 Uhr beginnt die Konzertlesung zu dem Thema "Geld, Krieg und Inflation", vorgetragen von Hubert Brieden, Helge Kister und Gerhard Biederbeck. Die Neujahrsansprache wird Gerhard Biederbeck halten.
Anlässlich der Pressekonferenz in der letzten Woche hielt Dr. Peter Fast aus Mardorf ein flammendes Plädoyer für die Gewaltlosigkeit:
„Die Bedeutung lokaler friedenskultureller Veranstaltungen im Jahr 2024 angesichts steigender Kriegsgefahr.
Obwohl Gewaltlosigkeit für das alltägliche Zusammenleben von Menschen unerlässlich ist, hat Gewaltlosigkeit keine Lobby. Gewaltlosigkeit hat in der Öffentlichkeit keinen Raum. Außer (vielleicht) in Kirchen. Gewaltlosigkeit hat keinen guten Ruf. Gewaltlosigkeit gilt als naiv, als Luxus, nichts für richtige Männer. Gewaltlosigkeit wird als Zeichen von Schwäche gedeutet.
Dagegen ist Militär(-Gewalt) in Neustadt allgegenwärtig: Wunstorfer Lärm, Militärfahrzeuge auf den Straßen, Menschen in Tarnkleidung im Supermarkt und Neujahrsempfänge mit zivilen Honoratioren. Militär ist in Neustadt ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Militär will in Folge der zunehmenden Kriegsgefahr als alltäglicher, normaler Bestandteil unseres Gemeinwesens wahrgenommen werden. Der Soldat soll das gleiche Ansehen genießen wie Feuerwehr, Polizei und Rettungswesen. Und neuerdings auch wieder Vorbild für die Jugend werden.
Die behauptete Alternativlosigkeit militärischer Problemlösungsansätze wollen wir durch kulturelle, nachbarschaftliche, lokale Aktivitäten infrage stellen.
Den soldatischen Tugenden stellen wir zivile Tugenden gegenüber:
Statt Hierarchie und Gehorsam: Selbstbestimmung und (Zivil-)Courage
Statt Kameradschaft (Kameraderie, Korpsgeist): Solidarität mit allen Menschen
Statt Militärkapellen: Jazzmusik
Statt Opfermut (Bereitschaft zum Heldentod): Freude am Leben.
Statt Feuerkraft und Zerstörungspotential: Kreativität und Fantasie
Statt Drohkulisse: Kommunikation
Statt Durchhaltefähigkeit: zivile Resilienz und Alltagstauglichkeit
Statt Gewaltbereitschaft: Zuversicht und Empathie“
Statt „Bordenau liest“: Karin Glade fördert kleine Leser!
Statt „Bordenau liest“ müsste es eigentlich heißen: Karin Glade fördert kleine Leser! Sie gilt als eine Institution der Vorlesekunst in Neustadt-Bordenau: Seit über 50 Jahren betreut sie die Schülerbibliothek an der Grundschule in Bordenau. Tagsüber ist sie als Büchereileiterin für die Schüler aller Klassen da und nachmittags verleiht sie Kinder- und Bilderbücher auch an die Kleinsten. Leseförderung pur!
„Seit Eröffnung der „Öffentlichen Kinder- und Jugendbücherei“,1972 in der Schule – am Rande bemerkt: damals die erste und richtungsweisende Bücherei im Schulbereich Neustadt – also seit damals ist Karin Glade mit Akribie, Fleiß und Kontinuität im Einsatz. Dank ihres Einsatzes, ihrer zielstrebigen kontinuierlichen Arbeit ist die Bücherei in der Schule zu einer aus Bordenau nicht mehr wegzudenkenden Einrichtung geworden,“ schreibt Werner Schmidt 2011 in der Laudatio für die Vergabe des Förderpreises der Stiftung Bordenau und nennt sie treffend: unsere Bibliothe-KARIN!
2004 stand sie bereits an dieser Stelle in unserer historischen Kolumne:
„Wie selbstverständlich gehört das Buch dazu, wie eben auch die vergnügliche Lesestunde durch unsere Leserförderin. Und glauben sie wohl, das war immer so gut, dass die Kinder mit Freude wiederkommen. Diese Leserförderung hat seit nun 30 Jahren wunderbar gelungen Karin Glade ausgefüllt. Ihre erfolgreiche Arbeit war auch Auslöser für “Bordenau – Unser Dorf liest“.
Und so schließt sich doch der Kreis: gute Leser haben viele Mütter und Väter! Und Karin Glade macht weiter!
Lasst uns das Jahr heiter beginnen!
Es gibt genug schlechte Nachrichten. Und auch an dieser Stelle sind oft tiefgreifende Worte zum Jahresanfang geschrieben worden. Wir wollen es diesmal ein bisschen heiterer angehen. Als wenn das so einfach wäre! Versuchen wir es mit ein paar Witzen. Ein literarischer vorweg: „Gestern schloss die ostfriesische Landesbibliothek. Das Buch wurde geklaut.“
Okay, etwas platt? Dann ein Schulwitz: „Lehrer: "75 % aller Schüler in dieser Klasse haben keine Ahnung von Prozentrechnung." Schüler: "Herr Lehrer, so viele sind wir doch gar nicht!"
Dann schon lieber etwas übers Älterwerden - und wie wir uns selbst sehen dabei:
„Ich saß neulich im Wartezimmer vor meinem ersten Termin mit dem neuen Zahnarzt. An der Wand hing sein Diplom, auf dem sein voller Namen stand. Plötzlich erinnerte ich mich an einen großen, gutaussehenden, dunkelhaarigen Jungen aus meiner Oberstufenklasse von vor 30 Jahren. Könnte es sich um denselben Jungen handeln, den ich damals so toll fand? Als ich ihn sah, habe ich diese Gedanken allerdings sofort begraben. Da stand ein alternder Mann, dessen graue Haare ausgingen, mit tiefen Falten im Gesicht - der viel zu alt war, um mein ehemaliger Klassenkamerad zu sein.
Nachdem er meine Zähne durchgeschaut hatte, frage ich ihn aus lauter Neugier doch, ob er auf die Albert-Einstein-Schule gegangen sei.
Völlig überrascht antwortete er: "Ja ... ja ..., ich da bin ich zur Schule gegangen"
"Wann haben Sie denn Abi gemacht?" fragte ich.
,,1989. Warum fragen Sie?" war seine Antwort.
"Dann waren Sie in meiner Klasse" sagte ich.
Er schaute mich etwas verwirrt an... und dann hat mich dieser alte, hässliche, grauhaarige, fast glatzköpfige, zerknitterte Kerl doch glatt gefragt:
"Und was haben Sie damals bei uns unterrichtet?"