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Unser Dorf liest

Arbeitskreis "Unser Dorf liest"

Die aktuelle Kolumne von Martin Drebs

(frühere Kolumnen finden Sie im  Archiv)

 


1172. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 17.1.2025

Es geht um die Zukunft!
Marie-Luise Kaschnitz (1901-1974) hat auch noch was fürs neue Jahr geschrieben:
„Endlich sagt euch los vom Grauen;
zwar in Asche sinkt die Welt.
Doch Geschlechter werden bauen,
was vor unserm Blick zerfällt.
Ehe noch des Unheils Ende
und ein neuer Stern erschien,
muss im Herzen sich die Wende,
muss ein Wille sich vollziehn.
Nur Geglaubtes lässt sich finden,
nur Gewissheit wird den Stein
heilger Kräfte neu entbinden.
Stund´ um Stunde sind verkettet:
ehe uns die Zukunft rettet,
müssen wir die Zukunft sein.“


1171. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 10.1.2025

Überbrückte Wasser!
Eine Fotoausstellung von Andreas Warlich aus Garbsen beginnt am morgigen Sonntag, dem 12. Januar 2025 ab 11.00 Uhr im „Cafe im Ackerbürgerhaus“ in Neustadt. Unser Neustädter Zeitungskolumnist Martin Drebs führt mit eigenen und anderen Texten durch die multimediale Performance, denn die Fotos der Ausstellung „Faszination Wasser“ werden auf Großleinwand projiziert und in ein stetes mitreißendes Meeresrauschen getaucht. Ein Wasserlauf ist dabei überbrückt und dazu auch unser Text „Augenblicksbrücke“ – leicht berlinerisch zu lesen:
„Auf ihrem Weg zum Lebensglücke
Trafen sich zwei Augenblicke
Der eine wollt nach Innen sehn,
Der andere bloß mal gieken gehen
Nu´ stehen se beede uf de Brücke
Und wissen nicht vor und nicht zurücke.“
Schauen Sie mal rein: Der Eintritt ist frei. Und als Bonus gibt es ein neues Musikstück der Gruppe „Colored Points“ passend zur Ausstellung mit einem Text von Lizzy Basler-Klok. Und Stiefel nicht vergessen!


1170. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 3.1.2025

Na denn: Auf ein Neues oder neue Gleise braucht das Land!
Ehrlich gesagt, wir wissen nicht mehr, was wir als ermutigenden Neujahrsgruß noch schreiben können. Die Zeiten sind ernst, sollte da die Kunst nur heiter sein? Sollten wir stoisch Mut machen, leicht pastoral gefärbt? Oder bitterbös die Menschheit als Fehlversuch beklagen? Oder die Schönheit der Natur besingen? Wir versuchen es einfach mit ein paar geschickten Ausreden als Entschuldigungen für Gründe zur Passivität oder Misslingen. Da finden wir einiges bei der Deutschen Bahn (DB), die haben doch für alles eine Erklärung, zum Teil sehr zügig. Wenn wir zum Beispiel die Entwicklung der Menschheit beklagen wollen, wählen wir: „Der Zug kann wegen Überfüllung nicht weiterfahren; wir bitten einen Teil der Fahrgäste auszusteigen.“ Und? Nichts bewegt sich, wie im richtigen Leben auch: die Welt ist überfüllt, keiner geht freiwillig. Oder gleich: „Wegen hoher Auslastung ist ein Zustieg nicht mehr möglich. Grund ist ein ausgefallener Zugteil.“ Oder wir suchen eine kritische Bemerkung zum Klimawandel, antwortet die DB mit: „Alle reden vom Wetter. Wir nicht!“ Dabei kommt es auch zu Zugausfällen wegen Umweltschäden. Oder wir wollen die Langsamkeit von Reformen beklagen: „Die Züge fahren in dem betroffenen Streckenabschnitt langsamer. In der Folge kann es noch vereinzelt zu Verspätungen kommen.“ Oder: Wir kommen nicht vom Fleck: „Der Zug fällt aus. Grund. Verspätet eingetroffenes oder erkranktes Personal“. Nichts gegen die Kolleginnen und Kollegen, die da erkranken. Einen hohen Krankenstand haben wir in allen Branchen, auch die psychologischen Symptome schwellen an, besonders nach Angriffen aufs Zugpersonal. Aber wenn gleich die ganze Mobilität bedroht ist: „Erneuerung der Aufzugsanlage. Betroffen hiervon sind mobilitätseingeschränkte Personen.“ Jetzt wissen wir´s. „Zur Stabilisierung des Zugverkehrs kommt es zu einem reduzierten Fahrplan.“ Ahja, da können wir gleich einpacken, oder? „Bitte beachten Sie, dass das Enddatum der Meldung aus technischen Gründen nicht mit dem Ende des Fahrplanjahres übereinstimmt.“ Also, wenn die Welt zu Ende gehen sollte, kann es sein, dass wir es nicht mitbekommen! Wenigstens haben wir ein bisschen Englisch gelernt: Thank you for travelling with Deutsche Bahn – Und ein frohes neues Jahr with the New City Newspaper und Our village reads! Anmerkung der Redaktion: Alle Zitate von Erklärungen der DB wurde gründlich recherchiert. Sollte es dennoch zu Unklarheiten kommen, kontaktieren Sie bitte die Beschwerdestelle!


1169. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 20.12.2024

Fortsetzungsgeschichte „Raum ist in der kleinsten Hütte“, Schlussteil
Was bisher geschah: Paul hatte den Weihnachtsbaum in die Wohnung von Oma Völz gebracht. Dabei füllte er den ganzen Raum aus. Was tun? „Oma Völz war hinter dem üppigen Weihnachtsgrün in ihrer Kochnische kaum zu sehen, gab aber weiter ihre Anweisungen. „Ihr dürft den Elektrischen Baum abbauen, aber Vorsicht, weißt´e, den brauch ich nächstes Jahr nochmal. Und ein bisschen beschneiden müsst ihr den Kawentsmann schon, ich will ja gleich noch den Weihnachstjottesdienst im Fernsehen gucken, Und wenn ich nich gucken kann, dann müssen die mir die Jebühren zurücküberweisen!“ scherzte sie; dabei war sie als arme Frau von den Gebühren befreit. Gesagt, getan, wir holten alle unsre Schweizer Messer mit Sägen dran raus und fingen an, den Baum von allen Seiten zu stutzen. „Och, den Zweig hier schenk ich morgen meinen Eltern!“ meinte einer. Nach gut einer Stunde hatte der Baum die Größe des ehemaligen Elektrobäumchens und stand auch genau da. Oma Völz hatte uns allen ein leckeres Süppchen serviert, und als wir rechtzeitig zum Jottesdienst mit alle Mann vor dem Fernseher saßen und in bester weihnachtlicher Stimmung dem Lufthansa-Cocktail zusprachen - Opa Kasulke hatte dieser Tage zwei Flaschen günstig am Flughafen organisiert - sagte Oma Völz mit feierlicher Stimme: „Das ist das schönste Weihnachtsfest seit meiner Vertreibung. Damit habt ihr mir eine Riesenfreude bereitet. Denn Raum ist in der kleinsten Hütte.“ Da standen uns dann doch die Tränen in den Augen, während draußen das Schneetreiben dichter und dichter wurde.“ Nun kann Weihnachten ja kommen. Allen eine gute Zeit, wünscht Paul Cornelius.


1168. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 13.12.2024

Fortsetzungsgeschichte „Raum ist in der kleinsten Hütte, Teil 3"
Was bisher geschah: Paul hatte an der Tanke einen riesengroßen Tannenbaum geschenkt bekommen und ihn durch die Stadt transportiert. Jetzt musste er nur noch in Oma Völzens Wohnung hoch. Seine WG hilft ihm dabei. „Mein lieber Mann, das ist ja je´ große Tanne, wo haste die denn her? Geklaut?“ – „Nein, nein, ich habe an der Tanke vollgetankt und dann als Bonus den Baum bekommen! Lasst uns versuchen, den zu Oma Völz mit dem Aufzug in den vierten Stock hochzubringen!“ Um es gleich zu sagen: in den Aufzug passte der Baum nicht. Da stand nur: Acht Personen maximal, aber nix von Tanne. Also wuchteten wir das Ding mit alle Mann durchs Treppenhaus, wobei einige Bilder abgenommen wurden, und der Baum von sich aus – wohl aus Versehen – einige Klingeln betätigte, worauf sich das Treppenhaus mit Nachbarn füllte: „Frohe Weihnachten“ hieß es allenthalben. Endlich oben angekommen, klingelten wir stolz und glücklich bei unserer Oma Völz. Wir hörten, wie sie sich zur Tür vorarbeitete, sie war ja nicht mehr die Jüngste. Wir standen mit fünf WG-Mitgliedern zwischen den Zweigen, und als die Tür aufging, rief Oma Völz im besten Ostpreußisch in den erfüllten Flur: „Ne , was ist denn hier los? Ein richtiger Tannenbaum! Jungschens, was macht ihr denn mit mir? Welche Freude!“ - „Ein Geschenk für dich - als Dankeschön für alles!“ rief ich. – „Na, nu kommt erst mal alle rein. Ich habe ein Weihnachts-Süppchen aufm Herd, wenn ich da noch Wasser beigebe, reicht es für alle! Und bringt den Baum mal mit!“ Gemeinsam drückten wir ihn durch den kleinen Flur direkt ins große Zimmer. Welch eine Größe er doch hatte! Der Baum, endlich von seinen Einschränkungen befreit, entfaltete nach und nach seine schönen großgliedrigen Zweige und nahm tropfend den ganzen Raum für sich in Beschlag.“


1167. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 6.12.2024

Fortsetzungsgeschichte „Raum ist in der kleinsten Hütte, Teil 2"
Was bisher geschah: Paul hatte am Weihnachtsmittag einen Baum an der Tankstelle als Geschenk angeboten bekommen. Würde sein Plan aufgehen, Oma Völz damit zu beglücken? „Das Innere Kind in mir juchzte auf; der Tankwart ließ die anderen Kunden stehen und begleitete mich nach draußen zum Weihnachtsbaumverkaufsstand. Da stand, mein Baum, lächelte er mich etwa an? Und erste Schneeflocken zierten seine weiten Zweige, denn es war wohl der größte, je angebotene Weihnachtsbaum in der ganzen Stadt, etwa doppelt so groß wie mein VW-Käfer; meine Glückshormone über das unvermutete Geschenk verwandelten sich blitzschnell in strategisches Denken: wie bekomme ich den Baum, also diesen Baum in den Fahrgastraum, sozusagen: Käfer frisst Baum, denn auf das Dach kriegte ich ihn nicht. Also griff ich nach dem Stamm-Ende, öffnete die Beifahrertür und zog das Ungetüm mit ganzer Kraft nach innen. Und siehe: womit 1938 in Wolfsburg niemand gerechnet hatte, der Innenraum eines VW-Käfers entspricht genau den Ausmaßen einer - sagen wir – mittelgroßen Nordmanntanne. In die heutigen SUVs kriegt man ja schon einen mittelgroßen afrikanischen Elefanten unter! Ich bedankte mich artig und stieg auf der Fahrerseite durchs Unterholz ins Fahrzeug. Die Sitze liegen ja tief, wie ihr euch erinnert, doch den Schaltknüppel fand ich nicht gleich und wühlte mich mit meinem rechten Arm durch das Dickicht. Die Pedale lagen relativ frei; nur ab und zu wischte mir vor der Windschutzscheibe ein Zweig durchs Gesicht, wenn ich eine Kurve nehmen musste. Mittlerweile hatte eine feine Schneedecke sich wie Puderzucker über die Stadt gelegt, und die durch die offenen Fenster nach außen hängenden Zweige waren schon sanft „beweißt“. Witzig waren die Sprüche bei Rot an der Ampel; neben mir stehende Verkehrsteilnehmer reagierten ungewöhnlich auf meine waldige Umgebung: „Ach, entschuldigen Sie, Sie haben da was Grünes im Auto“ – „Wo geht´s denn hier zum Winterwald?“ – „Feiern Sie Weihnachten allein im Auto?“. All das konnte mich nicht davon abhalten, mich wie ein begnadeter chinesischer Zirkuskünstler mit gymnastischen Bewegungen nach Hause zu bugsieren. Ich parkte vor Oma Völzens´ Haus so, dass ich mit dem Stammende zur Haustür wies. Ich rief meine WG - Kumpanen dazu: „Heh, ihr müsst mir helfen! Ich habe einen Weihnachtsbaum für Oma Völz.“ Bald waren alle da.“


1166. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 29.11.2024

Vorbereitungen auf Weihnachten laufen!
Am Wochenende beginnt die Adventszeit. Und wir beginnen hier mit der vierteiligen Fortsetzungsgeschichte „Raum ist in der kleinsten Hütte, Teil 1“ von Paul Cornelius. „Es war Heiligabend beziehungsweise Heiligmittag; ich fuhr in Düsseldorf mit meinem alten VW-Käfer noch zur Tanke. Insgesamt war es ein entspannter Tag; ich hatte für meine Freunde ein paar einfache Geschenke zusammengestellt, und auch so war alles gut, wenngleich das Wetter ein bisschen unentschieden ungemütlich war, das typisch Düsseldorfer Grau ließ kein weißes Weihnachten mehr erwarten. Ich tankte für 10 Mark, das sollte über die Feiertage reichen. schnellen Schrittes eilte ich zur Kasse. Da sagte der dicke Tankwart in gemütlichsten Düsseldorfer Platt zu mir: „ He Jung. Weiße wat heut für ne Tach is´? Rischtisch: Weihnachten! Und da hab isch ein Jeschenk für dich. Du hast doch draußen die Bäum´ jesehen, da steht jetzt nur noch einer, der letzte. Und den schenk ich dir, du siehst so klamm aus, nimm en mit, für umsonst.“ Ich weiß nicht, wie mir geschah, durch meine Adern floss ein warmer zuckersüßer Weihnachtsglücksstrom. Kennen Sie das auch, wenn Sie unvermutet etwas geschenkt bekommen und freuen sich sofort tierisch darüber? Und so ein tolles Geschenk, das kann man doch nicht ablehnen; vor meinem inneren Auge sah ich den Baum schon mit goldenen Kugeln behangen. Mit rotem Kopf bedankte ich mich im feinsten Hochdeutsch: „Aber Euer Ehren, das kann doch nicht wahr sein! Eure Hoheit, ich fühle mich reich beschenkt und bin Euch zu tiefstem Dank verpflichtet!“ - „Nu mach ma halblang, du Flitzepiepe. Nur gleich mitnehmen musste dä Baum. Ich mach hier nämlich gleich Feierabend. Meine Königin,“ und dabei grinste er breit,“ erwartet mich in unserem Winterschloss!“- „Okay, okay!“, gab ich in saloppem Studentendeutsch zurück, „wird gemacht, Chef“. Plötzlich fraternisierte ich mit den einheimischen Arbeitern. Ich hatte innerlich eine kühne Idee gefasst: Neben unserer WG lebte nämlich die liebe Oma Völz, die uns so manches Mal zum Mittagessen eingeladen hatte und hervorragende Mutzenmandeln backte. Zwischen Idee und Plan war nur ein Hauch: ich wollte ihr den Baum weiterschenken, einen echten Weihnachtsbaum anstelle ihres billigen, funkelnden Plastikbäumchens; der passte zwar in ihre kleine Wohnung, die hatte aber nur ein großes Zimmer. Es hatte zu schneien begonnen.


1165. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 22.11.2024

Der November-Blues droht!
Heinrich Seidel (1842 bis 1906) hat dafür ein poetisches Gegenmittel:
„Solchen Monat muss man loben:/Keiner kann wie dieser toben,
keiner so verdrießlich sein/ und so ohne Sonnenschein!
Keiner so in Wolken maulen,/keiner so mit Sturmwind graulen!
Und wie nass er alles macht!/Ja, es ist ′ne wahre Pracht.
Seht das schöne Schlackerwetter!/Und die armen welken Blätter,
wie sie tanzen in dem Wind/und so ganz verloren sind!
Wie der Sturm sie jagt und zwirbelt/und sie durcheinanderwirbelt
und sie hetzt ohn′ Unterlass:/Ja, das ist Novemberspaß!
Und die Scheiben, wie sie rinnen!/Und die Wolken, wie sie spinnen
ihren feuchten Himmelstau/ ur und ewig, trüb und grau!
Auf dem Dach die Regentropfen:/Wie sie pochen, wie sie klopfen!
Schimmernd hängt′s an jedem Zweig,/einer dicken Träne gleich.
Oh, wie ist der Mann zu loben,/ der solch unvernüft′ges Toben
schon im Voraus hat bedacht/ und die Häuser hohl gemacht;
sodass wir im Trocknen hausen/und mit stillvergnügtem Grausen
und in wohlgeborgner Ruh/ solchem Greuel schauen zu.“


1164. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 15.11.2024

Abel steh auf!
Beim Volkstrauertag am 17.11.2024 ab 10 Uhr in der St.Thomas-Kirche in Bordenau werden in diesem Jahr auch die Konfirmanden ihre Beschäftigung mit dem Thema: „Kain und Abel“ vorstellen. Und es gibt ein Gedicht von Hilde Domin dazu:
„Abel steh auf/ es muss neu gespielt werden
täglich muss es neu gespielt werden
täglich muss die Antwort noch vor uns sein
die Antwort muss ja sein können
wenn du nicht aufstehst Abel/ wie soll die Antwort
diese einzig wichtige Antwort/ sich je verändern
wir können alle Kirchen schließen
und alle Gesetzbücher abschaffen
in allen Sprachen der Erde/ wenn du nur aufstehst
und es rückgängig machst/ die erste falsche Antwort
auf die einzige Frage/ auf die es ankommt
steh auf/ damit Kain sagt/ damit er es sagen kann
Ich bin dein Hüter Bruder
wie sollte ich nicht dein Hüter sein
Täglich steh auf/ damit wir es vor uns haben
dies Ja! ich bin hier/ ich dein Bruder
Damit die Kinder Abels/ sich nicht mehr fürchten
weil Kain nicht Kain wird…“


1163. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 8.11.2024

Glücklich oder unglücklich – das ist hier die Frage!
„Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich, jede unglückliche Familie ist unglücklich auf ihre Weise. “ Mit diesen Worten eröffnet Lew Tolstoi seinen Jahrhundertroman Anna Karenina. Doch wie war seine Familie? Die Ehe mit Sofja Tolstaja? Sie war blutjung, als sie den 16 Jahre älteren, schon bekannten und von ihr verehrten Schriftsteller Lew Nikolajewitsch Tolstoi kennenlernt. Eine Woche später wird in Moskau geheiratet. Gleich nach der Eheschließung begann Tolstoi „Krieg und Frieden“ mit voller Begeisterung zu schreiben. Das Leben auf dem Lande war so erfüllt und glücklich durch die gegenseitige Liebe, vor allem durch die Arbeit an dem so bedeutenden Roman ihres Mannes. Sofja hilft ihm bei der Abschrift seines Werkes und unterstützt ihn in Wirtschaftsdingen. Die Ehejahre bringen Erfüllung. Dreizehn Kinder werden geboren. Und plötzlich scheint alles aus dem Ruder zu laufen: Drei Kinder sterben. Tolstoi wendet sich zunehmend von der Literatur ab und gerät in eine geistige Krise. Mit seinem langen weißen Bart und im derben Russenkittel wirkt er wie ein Abgesandter einer uralten Welt. Es kommt zu seiner „Bekehrung“. Er schreibt religiöse Traktate. Er übt Kritik am Gesellschaftssystem Russlands, an den Eigentumsverhältnissen und der sozialen Ungleichheit. Er zieht sich auch immer weiter vom Leben in der Familie zurück. Das Ehepaar entfremdete sich zunehmend. Er wird von Schwermut erfasst. Die Unzufriedenheit mit seinem Dasein wird erstrangig. Er wollte sogar sein Leben durch Erhängen beenden. Später drohte er, die Familie zu verlassen. Er suchte den Glauben an Gott. Er wurde immer schwermütiger. Er träumte davon, mit einer einfachen russischen Bauersfrau heimlich fortzugehen, vielleicht nach Amerika, um ein neues Leben anzufangen. Als Tolstoi die ebenso frauen- wie lustfeindliche „Kreutzersonate“ im Jahr 1890 zu Papier bringt, schreibt Sofja einen Gegenroman, den sie aber unveröffentlicht lässt. Wie geht das Familiendrama aus? Erfahren Sie mehr bei der literarischen Lesung mir Johanna Korte am Montag, dem 11.November, ab 14.45 Uhr im Birkenweg 3a in Bordenau!


1162. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 1.11.2024

Gipfelstürmerin Gisela Oberheu!
Geboren 1940, so auch der Titel ihres Buches mit Erinnerungen, Gedanken und Geschichten. Sie wird in der Kleinstadt Wunstorf in einfache Verhältnisse hinein geboren. Als Kind erfährt sie Armut und Hunger. Als Mädchen mit geringer Schulausbildung muss sie schon früh arbeiten gehen und findet eine Anstellung in Bordenau: „Am 1.Juni 1954 fuhr ich zum ersten Mal nach Bordenau…am Blumenauer Schloss vorbei Richtung Liethe und dann immer geradeaus, bis rechter Hand die Bordenauer Brücke mit den Wiesen auftauchte. Kurz vor der Brücke lag links das Bordenauer Fährhaus, während sich auf der rechten Straßenseite eine merkwürdige Holzkonstruktion entlang zog, die vom Fährhaus bis zur Brücke führte. Es war der Hochwassersteg. Doch an diesem Tag ahnte ich noch nicht, wie wichtig er für mich einmal werden würde…. Ab 1960 begann die schönste Zeit meines Lebens. 1960 lernte ich Wilhelm kennen. Wilhelm besaß eine Ziegelei. Ein kleiner Betrieb außerhalb des Dorfes, umgeben von Wald und Wiesen. 1961 heirateten wir. Da saß ich nun in einem Haus, das fast zwei Kilometer vom Dorf entfernt war, ohne elektrisches Licht…. In diese Idylle wurde 1962 unsere Tochter Susanne geboren. Ich hatte alles, was ich brauchte: Einen Mann, der mich liebte, eine süße kleine Tochter und ein herrliches Grundstück.“ Von hier aus versorgten sie die Welt mit besonderen Ziegeln und prägten auch das Leben des Dorfes. Als sie vor zehn Jahren 70 wurde, fragte man sie: “Wie fühlt man sich so mit 70?“ „Ich fühle mich wie ein Bergsteiger, der den Gipfel fast erreicht hat. 70 Jahre habe ich mich abgestrampelt. Dabei habe ich mich nicht beeilt, möglichst schnell alt zu werden, aber es führt ja kein Weg daran vorbei…Wenn ich leben will, muss ich den Berg hochsteigen.“ So die Kolumne am 19.2.2020. Jetzt hat sie ihren Gipfel erreicht! Wir gedenken ihrer als warmherzige Frau und Mutter, die so manchem Kind an unserer Scharnhorstschule als Lese-Oma besondere Geschichten vorgelesen hat.


1161. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 25.10.2024

O, singt mir nicht mit Ach und Wehe von Herbstesleid!
Otto Baisch (1840-1892) bringt seinen heiteren „Herbst“:
„Da hört man singen spät und frühe/ Von Herbstesleid,
Als ob nicht Glücks genug erblühe/Zu jeder Zeit.
Wenn ausgeträumt des Frühlings Träume, / Der Sommer tot,
Wie kleiden lustig sich die Bäume/In Gelb und Rot!
Erstarb der süße Duft der Rose, / Der Lilie Pracht,
Wie sprosst die kecke Herbstzeitlose/ Dann über Nacht!
Und wenn die zarten Sommerroben/ Verblichen sind
Wie geht sich's hübsch, den Kopf erhoben, / Im Frühherbstwind!
Wie tändelt er durch Haar und Schleier/ So neckisch hin;
Wie fühlt man da sich frischer, freier/ In Herz und Sinn!
So klar die Welt, wohin ich sehe, / Die Brust so weit!
O, singt mir nicht mit Ach und Wehe/ Von Herbstesleid!“


1160. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 18.10.2024

Hey guten Morgen, wie geht es dir?
Das ist der Titel des Deutschen Buchpreises 2024 - gerade auf der zurzeit laufenden Frankfurter Buchmesse an Martina Hefter verliehen. Amazon kündigt das Buch so an: „Tagsüber hilft Juno ihrem schwerkranken Mann Jupiter dabei, seinen Alltag zu meistern. Außerdem ist sie Künstlerin, tanzt und spielt Theater. Und nachts, wenn sie wieder einmal nicht schlafen kann, chattet sie mit Love-Scammern im Internet. Martina Hefter hat einen berührenden Roman über Bedürfnisse und Sehnsüchte im Leben geschrieben. Und darüber, wie weit man bereit ist, für die Liebe zu gehen. Juno schreibt online mit Männern, die Frauen online ihre Liebe gestehen und so versuchen, sie um ihr Geld zu bringen. Doch statt darauf hereinzufallen, werden genau diese Männer zu einer Form von Freiheit für Juno. In den Gesprächen kann sie sein, wer sie will und sagen, was sie will – und das vermeintlich ohne Konsequenzen. Ganz im Gegensatz zu ihrem sonstigen Leben, in dem sie immer unterwegs, immer besorgt um Jupiter, immer beschäftigt und eingebunden ist. Also flüchtet Juno ab und zu vor ihrem Alltag ins Internet und spielt dort Spielchen mit Männern, die sie anlügen. Sie selbst wird zur Lügnerin. Aber ist es nicht so, dass man sich beim Lügen zuallererst selbst belügt? Eines Tages trifft Juno auf Benu, der ihre Behauptungen ebenso durchschaut wie sie seine. Und trotz der Entfernung zwischen ihnen entsteht eine Verbindung. »Hey guten Morgen, wie geht es dir« ist ein tiefgehender Roman, aber so leichtfüßig wie eine Komödie.“ Apropos, wenn Sie Internetkomödien mögen, der Theater- und Konzertkreis Neustadt lädt am 1.2.2025 ein zu „Gut gegen Nordwind“ von Daniel Glattauer: „Eine spannende und zugleich gefühlvolle Komödie, bei der Emmi Rothner mehrmals versucht, ihr Zeitschriftenabonnement zu kündigen, aber aufgrund eines Tippfehlers die Nachrichten immer bei Leo Leike landen. Aus der anfänglich irregeleiteten E-Mail entwickelt sich eine sehr persönliche Freundschaft – oder handelt es sich doch um eine Liebesbeziehung? Dieser Digitalflirt, der die heutige Kommunikation über Onlineportale perfekt widerspiegelt, ist pointenreich, unterhaltsam, voller Gefühle und birgt viele Überraschungen. Ob aus der virtuellen Beziehung zweier unbekannter Persönlichkeiten mehr entsteht und ob ein reales Treffen zustande kommt …“


1159. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 11.10.2024

Die Kunst der Andeutung oder damit rechnen Sie nicht!
Damit hatte er nicht gerechnet, dass genau das passieren würde. Hätte er es ahnen können? Hätte er sich darauf vorbereiten müssen? Er hat sich nicht vorstellen können, dass das passieren könnte, was sein ganzes Leben verändert. Wie oft hatte er schon daran gedacht, ohne sich die Konsequenzen auszumalen. Dennoch hatte er so eine Art Vorahnung; eine gewisse Bangigkeit hatte sich in letzter Zeit eingeschlichen, ein seelisches Zittern und Erbeben, dass es passieren könnte, und all seine Bemühungen, Grund in die Verhältnisse zu bekommen, letztlich umsonst sein würden. Er war dem ausgeliefert und konnte sich in seinen kühnsten Vorstellungen nicht ausdenken, was dann noch alles geschah, und alles veränderte, sein Leben, seine Freundschaften, einfach alles. Damit hatte er nicht gerechnet, und er machte sich Vorwürfe über seine Naivität und Einfalt, einfach darauf zu hoffen, dass es noch vorübergehen würde. Vergeblich! Liebe Lesende: Was könnte da wohl passiert sein?


1158. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 4.10.2024

Hallo, da bin ich wieder!
Hallo, da bin ich wieder! Hallöchen, liebe Leute! Kennt ihr mich noch? Die Tochter vom Orgelbauer Bethmann, Eure Betti? In Bordenau und Poggenhagen kennen mich alle. Ja, ich war ganz lange weg, in der Orgelbauwerkstatt vom Jörg Bente. Da haben sie mir aber auch jedes Teil untersucht, repariert, ausgetauscht, nachgebaut – ich kam mir vor, wie auf der Intensivstation! Nur viel länger! Doch keine Sorge: Ich hab´ immer ganz fest dran geglaubt, dass die Bentes mich wieder zum Leben erwecken. Und – Trara! Jetzt haben sie mich seit ein paar Wochen wieder auf die Bordenauer St.-Thomas-Empore gebracht. Endlich bekomme ich auch wieder eine richtige Lunge mit zwei riesigen Windbälgen, genau so, wie sie mir mein Papa vor 203 Jahren zur Geburt mitgegeben hatte. Auch die riesigen tiefen Pfeifen haben die Jungens wieder nachgebaut. Meine alten Basspfeifen waren doch schon früher wegen totaler Wurmstichigkeit rausgeflogen. Augenblicklich werden. gerade noch alle meine 658 Pfeifen wieder ganz sauber gestimmt. Das macht der Chef selbst. Und der Restaurator kümmert sich um mein Make-up, sogar das Blattgold macht er neu! Hurra, ich glänze wieder! Und dann solltet ihr mich mal hören! Meine tolle Stimme – wie in alten Zeiten! Am 6. Oktober werde ich im Gottesdienst um 11 Uhr feierlich wieder eingeweiht, und um 17 Uhr habe ich dann im Konzert mit Jan Katzschke meinen ersten großen Soloauftritt! Aber wahrscheinlich werden diese beiden Termine schon eh so gerammelt voll sein, dass ich euch empfehle: Kommt lieber zu meinen nächsten Solo-Auftritten! Am Freitag, dem 1. November, spiele ich zusammen mit dem Organisten der hannoverschen Marktkirche, Ulfert Smidt. Und am 22. November, auch um 17 Uhr, kommt der Organist der hannoverschen Neustädter Hof- und Stadtkirche, Jonathan Hiese. Wenn ihr mich da besucht, verspreche ich euch, werde ich mich besonders darum bemühen, euch zu gefallen! Ach, wenn Papa doch nur diese Wiedergeburt miterleben könnte!


1157. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 27.9.2024

Es wird auch noch gesungen!
Bei unserer „LESESTUNDE“ am 3.Oktober 2024 um 16 Uhr im Dorfgemeinschaftshaus Bordenau wird Andreas Hagemann auch Lieder aus der sogenannten „Mundorgel“ vortragen: 1951 entstand in einem Sommerlager des Evangelischen Jungmännerwerkes, Kreisverband Köln, die Idee, für die Zeltlagerarbeit ein handliches Liederbuch zusammenzustellen, das erstmals 1953 erschien - eben ein kleines Liederbuch im praktischen Hemdtaschenformat, zudem möglichst preisgünstig. Inzwischen wurde das Liederheft bisher rund 14 Millionen Mal verkauft.Die Auswahl der Lieder hat sich im Laufe der Zeit deutlich verändert. So landete zunächst manches in der Mundorgel, was während der Zeit des Nationalsozialismus von der Hitler-Jugend (HJ) vereinnahmt worden war. Solche Lieder fielen bei den Überarbeitungen ebenso heraus wie Texte, in denen von „Negern“ oder „Zigeunern“ die Rede war oder die allzu militaristisch daherkamen. 1964 erschien neben der gewohnten Textedition die erste Notenausgabe mit Gitarrengriffen. Wir bringen hier mit „Die Dämmerung fällt“ die Worte und Weise von Karl Albert Christel in der Originalfassung circa 1930:
„Die Dämmerung fällt, wir sind müde vom Traben.
Die Straßen, sie haben der Steine so viel.
Lasst sie für heute allein. Lasst sie für heute allein.
Es ist uns bestimmt, mit brennenden Füssen
die Unrast zu büsen, die der Tag mit uns bringt.
Bald Kameraden ist Ruh‘. Bald Kameraden ist Ruh‘.
Wer weiß wo der Wind uns morgen schon hinweht,
wo keiner mehr mitgeht, der Bruder uns ist.
Bald sind wir alle allein. Bald sind wir alle allein.“


1156. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 20.9.2024

Lieber spät als gar nicht!
Ein altes Lied! „Das Fräulein stand am Meere
Und seufzte lang und bang,
Es rührte sie so sehre
Der Sonnenuntergang.  
Mein Fräulein! sei´n Sie munter,
Das ist ein altes Stück;
Hier vorne geht sie unter
Und kehrt von hinten zurück.“
(Heinrich Heine, 1797 bis 1856)   Anmerkung der Redaktion: Ab Januar 1972 verschwand die Anrede „Fräulein“ offiziell aus dem Amtsdeutsch - durch einen Erlass von Hans-Dietrich Genscher (FDP). Bereits ab 1950 hatten sich im Frauenreferat die Beschwerden von Frauen gehäuft, die nicht mehr als "Fräulein" bezeichnet werden wollten.    


1155. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 13.9.2024

Lieber spät als gar nicht!
Die lesen ja immer noch weiter! „Bordenau – Unser Dorf liest“ will am 3.Oktober 2024 um 16 Uhr im Dorfgemeinschaftshaus Bordenau eine „LESESTUNDE – mit Musik“ - Geschichten von damals und heute" vortragen. Da werden Erinnerungen wach! Ausgangspunkt waren Geschichten aus Schulbüchern für die 8. bis 10. Klassen aus den 60er und 70er Jahren. Dramatisch packende, erschütternde Geschichten, die die jugendlichen Gemüter aufrütteln sollten und meist in die berüchtigten Besinnungsaufsätze mündeten; es gibt aber auch viel Heiteres und Klassisches. Musikalisch treten Lieder aus der berühmten Mundorgel dazu, vorgetragen von unserm Musikermeister Andreas Hagemann. Es handelt sich dabei um uralte Volks- und Kunstlieder; ohne nun nur romantisch, rückwärtsgewandt und deutschtümelnd zu erscheinen, wollen wir in diesen bewegten Zeiten und am traditionellen „Tag der deutschen Einheit“ auch ein bedeutsames Zeichen setzen: wir tragen die „Kinderhymne“ von Bertolt Brecht vor:
„Anmut sparet nicht noch Mühe /Leidenschaft nicht noch
Verstand Dass ein gutes Deutschland blühe / Wie ein andres gutes Land. Dass
die Völker nicht erbleichen /Wie vor einer Räuberin Sondern ihre Hände
reichen / Uns wie andern Völkern hin. Und nicht über und nicht unter /Andern
Völkern wolln wir sein Von der See bis zu den Alpen /Von der Oder bis zum
Rhein. Und weil wir dies Land verbessern /Lieben und beschirmen wir's Und
das liebste mag's uns scheinen /So wie andern Völkern ihrs.“ Die Rechte an
dem Text liegen beim Suhrkamp-Verlag, Berlin. Unsere ältere kulturelle
Initiative sucht zum Vortrag der Hymne noch einen jungen Menschen, der
diesen Text verstehen kann und mit der entsprechende Freude vorbringt.


1154. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 6.9.2024

Lieber spät als gar nicht!
In der ersten Kolumne dieser Reihe 1996 gab uns der deutsche Schriftsteller, Herausgeber und Journalist Peter Härtling (1933-2017) das literarische Motto vor: „Erzähl weiter, lies weiter, denk weiter…“ Jetzt veröffentlichen wir hier mit Zustimmung des Verlags Kiepenheuer & Witsch, Köln, sein „Spätes Liebeslied
Komm, wir gehen Berge versetzen.
Wir stülpen die kranke Erdhaut um.
Komm, wir spielen mit dem Entsetzen
Und nehmen Katastrophen nicht krumm.
Komm, wir lieben den Himmel herunter.
Er schmutzt das weißeste Linnen ein.
Komm, wir dichten die Finsternis bunter
Und kehren bei den Giftmischern ein.
Komm, wir fügen uns zusammen
Zu einem Stein, der im Feuer besteht.
Komm, hab keine Furcht vor den Flammen.“
Komm, ehe der Welt der Atem vergeht.“
Und das passt in diesen Wochen auch zum Welterschöpfungstag, den eine Gruppe beim Stadtfest am 7.9.24 als großes Gedicht plakatiert.


1153. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 30.8.2024

Hajo dreht wieder auf!
Am Samstag , dem 31. August 2024, brummt wieder der Bär in Bordenau: Mixed Music Open Air mit mehr als 15 Musikern, Bands und DJs. (Die NZ berichtete) . Das Line-up ist international, Vom Plattenteller wird von Funk bis Hardstyle ein breiter Mix zu hören sein. Auch Livemusik gibt es aus vielen Genres, darunter Pop, Rock, Punk, Hip-Hop, Brass und mehr. Neben dem Hauptact aus Hamburg „Montrea“ gibt es Auftritte von Drebsen, Passepartout, Pinto, Neptunica und Eddy Brain. Diesmal im Hauptprogramm die Gruppe „Drebsen“, die unter dem Label „NNR“ für „NoNameRecords“ auch bei einem namhaften Musikportal vertreten ist.

Hier bringen wir den Anfang von „Alles okay“, schon mal zum Einstudieren: „Ich steige ein - in den Bus Draußen zwitschern schon die Vögel, doch ich habe keine Lust Zu gehen! Aus dem Club! Fühl den Bass immer noch so, als wär´ der DJ um mich rum Und wenn ich dich seh Ist plötzlich wieder alles okay Es tut nicht mehr weh Bitte sag: "Es ist noch nicht Zeit zu gehen"“
Den Feiernden viel Spaß und den übrigen Bordenauern eine geruhsame Nacht!


1152. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 23.8.2024

Begegnung mit der Fremden! (2)
In unserer zweiteiligen Erzählung beschäftigt sich Ingrid Bruchwald, Wunstorfer Autorin der Textschmiede mit dem Thema Demenz. Was bisher geschah: Die Tochter Greta hatte ihre Mutter im Altenheim besucht. Die Mutter hatte ihre Tochter aber nicht erkannt. „Wie bei jedem Besuch holt Greta das Fotoalbum aus der Tasche und legt es ihrer Mutter auf den Schoß.“ Erstaunt, als hätte sie Greta gerade erst bemerkt, schaut die Frau im Sessel zu ihr hin. „Trudi, wie schön, dass du mich besuchst!“ Zärtlich streichelt sie mit dem Handrücken Gretas Wange. „Ja, wir beide“, murmelt sie, und ihr müder Blick wandert wieder durch das Fenster ins Nirgendwo. Gertrud war Mutters kleine Schwester, also Gretas Tante. Sie war auf der Flucht gestorben – Gretas Mutter hat nie etwas davon erzählt, nie auf Fragen geantwortet. Greta öffnet das Album. „Hier, Onkel Heinrich … und Tante Ida … ihr musste ich immer helfen beim Erbsen palen … das sind die Eltern von Ernst … und das sind unsere Eltern …“ Ein knochiger Finger huscht über die schwarz-weißen Bilder. „Mama, wie war das damals mit Trudi?“, wagt Greta mit leiser Stimme wieder einmal die Frage. Die Seniorin stößt das Fotoalbum vom Schoß, krümmt sich zusammen, beginnt zu wimmern wie ein Kind. „Nein, bitte nicht“, meint Greta einige Wortfetzen zu verstehen, „nicht Trude! Nimm mich! Nicht Trude!“ Beschwichtigend legt Greta die Arme um die bebenden Schultern ihrer Mutter. „Nein, lass mich los, nein?“, kreischt die Seniorin voller Angst und beginnt mit erstaunlicher Kraft um sich zu schlagen. „Mama, ich bin es doch, Greta!“ Die Tür wird aufgerissen. „Was machen Sie denn da?“, tönt die vorwurfsvolle Stimme der Pflegerin. Greta hebt das Album auf, streicht ihrer Mutter liebevoll über die Wange, fühlt Feuchtigkeit „Mama, ich bin es doch … Greta, deine Tochter. Morgen komme ich wieder.“ Zusammengesunken sitzt die grauhaarige Frau im gemütlich anmutenden Sessel und schaut durch das Fenster. Hat sie die Worte nicht verstanden? Leise schließt Greta die Tür. Sie wird wiederkommen.


1151. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 16.8.2024

Begegnung mit der Fremden! (1)
In einer zweiteiligen Erzählung beschäftigt sich Ingrid Bruchwald, Wunstorfer Autorin der Textschmiede mit dem Thema Demenz: „Frau Staunich, Besuch für Sie!“ Leise schließt sich die Tür. Regungslos sitzt die grauhaarige Frau in einem gemütlich anmutenden Sessel und schaut durch das Fenster. Hat sie die Worte der Schwester nicht verstanden? Mit wenigen, zögerlichen Schritten ist Greta bei ihr – das Zimmer ist nicht groß - und legt ihre Hände behutsam auf die alten Schultern … wie zerbrechlich sie sind, wie die Knochen eines Vögelchens. „Was wollen Sie hier?“, kreischt die Seniorin, dreht sich um und funkelt Greta aus wässrigen Augen an – früher waren sie enzianblau gewesen, Papa hat immer erzählt, wie er sich in diese Augen verliebt hat. „Hallo Mama!“ Greta haucht einen Kuss auf die faltige Wange. „Gehen Sie weg!“  Die Worte tun weh, aber Greta hat gelernt, sie zu ignorieren. Sie stellt einen Stuhl neben den Sessel, setzt sich und schaut nun ebenfalls in die Ferne vor dem Fenster. „Kennen wir uns?“, lässt es sich aus dem Sessel hören, und Unsicherheit klingt in dieser Frage mit. Greta schließt die auf der Armlehne ruhende Hand behutsam in die ihre. Diese vertraute Hand, die ihr die fiebernde Stirn gekühlt, die Schulbrote belegt und Fingernägel geschnitten hatte, die ihre Klassenarbeiten unterschrieben und ihr ein Faschingskostüm genäht hatte (Holländerin, obwohl sie viel lieber eine Indianerin gewesen wäre), die ihr… Mit einem „Lassen Sie das!“ reißt sich die Hand los. Greta betrachtet ihre eigene, verlassene Hand - die Hände ihrer Mutter, die zwischen deren Schenkeln Schutz gefunden haben. Früher waren sie nur selten zur Ruhe gekommen, hatten Kartoffeln geschält, Strümpfe gestopft, Pflaster geklebt und Bilderbuchseiten umgeblättert… Greta kennt das Verhalten ihrer Mutter, diese verstörende und manchmal auch verletzend anmutende Zurückweisung. Diese ihr so vertraute Frau hatte vor einige Zeit ihr Leben verlassen, ohne zu sterben, hatte sich auf den Weg in eine andere Welt gemacht, in eine leere Fremde, ohne Erinnerungen – und ohne Greta, ihre Tochter. Wie bei jedem Besuch holt Greta das Fotoalbum aus der Tasche und legt es ihrer Mutter auf den Schoß.“ Was wird weiter passieren? Lesen Sie in der nächsten Woche den Schluss der Geschichte.


1150. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 9.8.2024

Oma Stockmann auf Inlinern bei Heimolympiade!
„Allerdings bestand ich darauf, nicht im Ort, sondern auf den schmalen Betonwegen zwischen den Feldern und Wiesen der Leinemarsch zu laufen. Dort angekommen griff ich optimistisch nach den plumpen, steifen Schuhen mit den acht Rollen darunter, schlüpfte hinein und zog die Schnallen der hohen Stiefel an den Füßen richtig fest. So, dachte ich, jetzt nur noch gerade aufgerichtet und ab geht die Post. Zufrieden mit mir richtete ich mich auf. Huch, was ist denn das? Warum wankt der Boden unter meinen Füßen? Händeringend suchte ich nach einem Halt, wobei meine Arme wild rotierten wie Mühlenflügel bei heftigem Wind. Doch alles war vergebens, denn ich landete hart und unsanft auf meinem Allerwertesten. Jedoch hilfreiche Hände halfen mir sogleich wieder aufzustehen. Nun etwas vorsichtiger geworden, versuchte ich es, mit kleinen, rollenden Schritten wie beim Schlittschuhlaufen voranzukommen. „HURRAH! Es klappt,“ rief ich entzückt in die Gesichter meiner Enkelkinder. Mutig, mit geschwollener Brust rauschte ich als Erste davon. Jedoch in voller Fahrt fiel mir siedend heiß ein, dass ich etwas vergessen hatte: Wie musste ich bremsen? Wie bekam ich diese verflixten Rollen nur zum Stehen? Innerlich schrie ich stumm um Hilfe. Doch die Rollen der Inliner rollten schnell und leicht über den Asphalt des Weges weiter und sangen dabei ihr hohes fröhliches Lied. Nur, in sichtbarer Nähe würde dieser Weg enden, und dahinter befand sich ein tiefer Graben. Ob dieser Graben Wasser führte? Klar, bei diesem vielen Niederschlag, der in den letzten Tagen gefallen war. „Omi bremsen, Omi bremsen!“ hörte ich auch schon meine Enkelkinder rufen. Das ist mir wohl klar, nur wie? Zu meiner Schande muss ich gestehen, beim Langlaufski benutzte ich in solch heikler Situation oft meine Backenbremsen. Doch hier? Der Beton war hart und die Rollen rasten fröhlich weiter, da die Piste auch noch etwas abschüssig verlief. Mein unsagbarer Stolz, seht her wie ich noch Skaten kann, versank zusehend in Unsicherheit und Schrecken. Mit Entsetzen stellte ich außerdem noch fest, dass ich den Klee, die Butterblumen und den gelben Löwenzahn, die am Uferrand des Grabens leuchteten, schon recht gut unterscheiden konnte, als plötzlich ein Schatten, den ich aus den Augenwinkeln wahrnahm, an mir vorbei huschte. Und dieser Schatten drehte auf der Stelle eine rasante Kurve, so dass ich vor Neid erblasste. Augenblicklich stemmten sich zwei Fäuste gegen meine Brust, um meinen schnittigen Lauf zu stoppen. Gleichzeitig ergriffen rechts und links Hände meine unbändig rudernden Arme, die mich sanft vor dem Wasser führenden Graben retteten. Hörbar erleichtert, ihren angehaltenen Atem ausgestoßend, schauten mich meine Enkelkinder vorwurfsvoll an. Julia, aschfahl im Gesicht meinte: „Oh man, mir ist vor Angst mein Herz in die Hose gerutscht.“ Kerstin, die immer noch meine Brust hielt, schaute mich stumm an und schüttelte dabei ihren Kopf. „Warum um Himmelswillen hast du nur nicht gebremst?“ warf Christiane mir mit zugeschnürter Kehle vor. Aber selbstbewusst wie ich war, meine zitternden Kniee verbergend, sagte ich: „Ich bin aber nicht gefallen.“


1149. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 2.8.2024

Hochgeschwindigkeitsbälle lesen!
In unserer Reihe : „Historische Kolumnen: Bordenau - Unser Dorf liest“ bringen wir heute den 565. Artikel aus der Neustädter Zeitung vom 27.8.2008 „Hochverehrte Leserschaft! Wir haben an dieser Stelle schon auf viele Möglichkeiten hingewiesen, wo überall Texte stehen können und wie diese gelesen werden können, sei es zum Beispiel durch das geschickte Textplatzieren einer Telefonfirma, die einen scheinbar privaten handschriftlichen Brief benutzt und, beiläufig in Zeitungen eingeklebt, so die Aufmerksamkeit des potenziellen Kunden als Leser des Verbotenen auf sich zieht. Oder nehmen wir den an den Himmel geschriebenen Liebesgruß, der weithin über alle Dörfer zu lesen ist, also vielleicht auch vom geliebten Adressaten. Eine ganz kuriose Lesart ergab sich in der letzten Woche bei den Olympischen Spielen in der Disziplin Tischtennis. Sportkommentator Michael Creutz berichtete über das Finale zwischen Malin für China und Timo Boll für Deutschland im Mannschaftsfinale der Herren. Dabei sagte Creutz, Timo Boll könne aus kurzer Distanz die Aufschrift auf dem Tischtennisball lesen, auch wenn sich dieser mit hoher Geschwindigkeit bewege. Und daraus, wie sich die Schrift drehe, könne er eben den Spin des Balles ermitteln, um seine Antwort, nämlich den siegreichen Schlag, vorzubereiten. Und Sportkommentator Michael Creutz steigerte sich im Laufe seiner Reportage noch: “Diesen Ball hat er nicht richtig gelesen”. Jetzt also wissen wir, wie wir auch den Letzten noch ans Lesen bekommen: schreiben Sie Ihren Brief einfach auf einen Tischtennisball und spielen Sie mit Ihrem Partner! Dass diese Art zu lesen allerdings nicht vor übriger Blindheit schützt, gab wohl Timo Bolls Ehefrau zur Kenntnis: “ Wenn am Boden dreckige Wäsche rumliegt, sieht er das nicht!” Merke: Nicht jeder, der die Aufschrift von Hochgeschwindigkeitsbällen lesen kann, eignet sich auch gut für die so wichtige Hausarbeit!“ Anmerkung der Redaktion: Timo ist auch in Paris dabei! Der Mannschafts-Wettbewerb startet am 5. August mit dem Achtelfinale. Dann wird Timo Boll seine siebten Olympischen Spiele in Folge bestreiten. In Sydney 2000 gab er sein Debüt, die Spiele von Paris 2024 werden sein letzter Auftritt auf der großen internationalen Bühne sein.


1148. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 26.7.2024

Worum geht es bei den Olympischen Spielen?
Die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit wurden am 6. April 1896 eröffnet. Bis zum heutigen Tage befindet sich die „Olympische Bewegung“ im Wachstum. Unter der olympischen Idee versteht man eine Haltung, die auf der Ausgewogenheit von Körper und Geist beruht. Sport, Kultur und Erziehung sollen in einer Lebensweise verbunden werden, die auf Freude am körperlichen Einsatz, auf dem erzieherischen Wert des guten Beispiels und auf der Achtung fundamental und universell gültiger ethischer Prinzipien beruht. Übrigens ging es am Anfang auch um Kulturwettbewerbe: Im Mai 1906 organisierte Pierre de Coubertin eine Konferenz in Paris, zu der neben IOC-Mitgliedern auch Vertreter von Künstlerorganisationen eingeladen waren. Die Konferenz endete mit einem Auftrag an das IOC, in den fünf Bereichen Architektur, Literatur, Musik, Malerei und Bildhauerei Kunstwettbewerbe durchzuführen. Die eingereichten Kunstwerke mussten dabei vom Sport inspiriert sein. In den folgenden Jahren wurden dann solche Wettbewerbe durchgeführt. Ziel der Olympischen Bewegung bleibt es, zum Aufbau einer friedlichen und besseren Welt beizutragen und junge Menschen im Geiste von Freundschaft, Solidarität und Fair Play ohne jegliche Diskriminierung zu erziehen. „Charaktereigenschaften anderer Völker schätzen und bewerten. Sich gegenseitig messen, übertreffen, das ist das Ziel. Ein Wettstreit mit dem Frieden“, lautet de Coubertins Vorstellung dazu. „Um einander zu achten, muß man sich zunächst kennen“, wird eine weitere Erkenntnis des „Vaters der olympischen Spiele der Neuzeit“ zitiert. Während der olympischen Spiele sollten alle Kriegshandlungen ruhen ist dagegen ein weit verbreitetes Missverständnis - dagegen wäre ohnehin auch bisher jedes Mal verstoßen worden. Der olympische Friede war und ist ein „Wegfriede“, der freies Geleit zu und von den Wettkämpfen garantieren sollte - und friedliche Spiele selbst. Auch Letzteres war nicht immer sichergestellt wie München 1972 traurig zeigte.


1147. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 19.7.2024

Da werden Erinnerungen wach!
„Bordenau – Unser Dorf liest“ will eine „LESESTUNDE – mit Geschichten von damals und heute" vortragen. Ausgangspunkt waren Geschichten aus Schulbüchern für die 8. bis 10. Klassen aus den 60er und 70er Jahren. Dramatisch packende, erschütternde Geschichten, die die jugendlichen Gemüter aufrütteln sollten und meist in die berüchtigten Besinnungsaufsätze mündeten – wir erinnern uns zum Beispiel an Georg Brittings „Brudermord im Altwasser“. Schaurig, schaurig! Für unsere geneigte Zuhörerschaft haben wir den Radius der Geschichten noch etwas erweitert; da fallen dann so große Namen wir Fontane, Kafka, Else Lasker-Schüler, selbst Schillers „Wallenstein“ mit seinem Monolog ist dabei. Und auffallend viele Tiergeschichten, auch eine Wolfsfabel von Lessing! Und es haben sich wieder zehn lesebereite Mitbürger gefunden für den 3. Oktober 2024 im Dorfgemeinschaftshaus ab 16.00 Uhr. In zwei konzentrierten Stunden wollen wir zusammen mit Musiker Andreas Hagemann, der auch „Mundorgellieder“ aus dieser Zeit antönen wird, das Publikum auch an dessen eigene Schulzeit erinnern – mit einer entsprechenden Pause dazwischen. Deutsche Literaturgeschichte vom Feinsten, aber auch moderne Erzählungen sind geplant. Und wir suchten nach besonders schönen Geschichten, die überwiegend fröhlich, aufmunternd und menschlich sein sollten – in einer Zeit, die das ebenso gut vertragen kann wie unsere hochverehrte Zuhörerschaft. Wir haben gewählt; wir mussten reduzieren! Jetzt geht es nur mehr um die Reihenfolge. Und die Altrewa-Stiftung unterstützt uns bei den Kosten, denn die Kulturtöpfe der Stadt sind lange leer! Dafür bleibt der Eintrittspreis erträglich.


1146. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 12.7.2024

Fabelhafter Autoritarismus und dessen reale Folgen am Beispiel der Frösche, die einen König haben wollen!
„Müde der Demokratie, schrien die Frösche tausendtönig,
Und nicht eher ruhten die Schreier, bis einem Herrn sie Zeus macht' untertänig.
Vom Himmel fiel herab ein höchst friedfert'ger König;
Doch macht sein heft'ger Fall solch einen Lärm, dass sie,
Dieses Volk der sumpf'gen Strecken, dumm wie's ist, und leicht zu schrecken,
Schnell im Wasser sich verlor, unterm Schilf, im Binsenrohr,
In den Löchern des Morastes, und lang' sich nicht getraut ins Angesicht des Gastes zu schaun; denn ihnen kam er wie ein Riese vor. Nur ein Klotz lag da im Moor;
Doch seine stumme Würd' erregte Furcht und Grauen dem ersten, der sich vorgewagt aus seiner Höhl', ihn anzuschauen.
Er naht sich ihm, doch sehr verzagt; ein zweiter, dritter folgt, bald kommt herbeigejagt ein heller Hauf', und diese Schlauen sind endlich ganz voll Mut und springen voll Vertrauen
Auf ihres Königs Schulter dreist herum. Der gute Herr lässt sich's gefallen und bleibt stumm.
Bald macht das dumme Volk dem Zeus viel Kopfzerbrechen:
»Gib uns 'nen König, der sich regen kann und sprechen!«
'Nen Kranich sendet nun der Götterfürst den Frechen; der beginnt sie abzustechen und zu speisen nach Begier.
Wie die Frösche Klag' erheben, spricht Zeus: »Potz Blitz! Was wollt ihr? Sollen etwa wir nur euren Launen stets nachgeben?
Zunächst war's wohl der klügste Rat, zu wahren euren alten Staat.
Da dies nun nicht geschehn, so musst' es euch genügen,
Dass euer erster Fürst voll Mild und Sanftmut war.
Den hier behaltet, um nicht gar vielleicht 'nen Schlimmern noch zu kriegen!«“
(Jean de la Fontaine)


1145. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 5.7.2024

Kindliche Spielfreude überwältigt Millionäre!
Gut, die Fußballeuropameisterschaft der Männer läuft, immer noch besser als jeder Krieg zwischen den Völkern! Obwohl Bill Shankly (1913-1981), schottischer Fußballspieler und -trainer, gesagt hat: "Einige Leute halten Fußball für eine Sache von Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Ich versichere Ihnen, dass es viel ernster ist!" Doch nicht wie zur Zeit der Brot-und-Spiele-Politik im römischen Reich, bei der in den Arenen die Massen ihren Siegestaumel feierten, liegt die Sache bei diesem runden Ding, das ins Eckige muss, doch etwas anders. Das liegt am Spielgerät, dass nämlich der Ball – für manche Philosophen ein Symbol für die Welt, so unkalkulierbar bleibt. Zwar kann man ein Spiel auch lesen, aber nach Martin Heidegger bleibt ein Rest von Unberechenbarkeit beim Tritt nach dem Ball. Umso mehr freut sich der Spieler, wenn er richtig trifft, beziehungsweise andersrum den Ball erfolgreich abwehren kann. Und so freute sich der Spieler Rüdiger noch in der vorletzten Minute des vorletzten Spiels, als ihm das gelang, bereits am Boden liegend überschwänglich wie ein Kind über seine gelungene Aktion. Und plötzlich waren nicht nur die Millionen an den Bildschirmen begeistert, sondern auch die Millionäre von der eigenen Spielfreude überwältigt. So bleibt der Fußball immer ein Spiel, eine Simulation des Kampfes auf Leben und Tod, aber immer noch besser, als ginge es wirklich um die Vernichtung des anderen!


Martin Drebs, Initiator von "Unser Dorf liest" 

(mehr Infos zu Martin Drebs)

Tel. 05032-1426, FAX 05032-915202
E-Mail: Unser Dorf liest@Bordenau.de


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