Sehr geehrte Damen und Herren,
alljährlich beim Stiftungsfest zeichnet die Stiftung Bordenau eine
Person, eine Gruppe, eine Institution, die sich in und für Bordenau
verdient gemacht hat, mit dem Förderpreis aus. Heute wird der 21.
Förderpreis seit Bestehen der Stiftung Bordenau vergeben. Die in diesem
Jahr zu ehrende Person ist einigen bereits bekannt, einigen aber noch
nicht. Für ein paar Minuten soll es auch noch so bleiben. Außerdem gehört
zu dieser Person eine Vorgeschichte, in der eine andere Person eine
auslösende Rolle spielt. Gestatten sie mir, ein wenig auszuholen, mit
ihnen einen Zeitsprung zurück zu machen. Wir schreiben den 24.Oktober
1885, sind im Theater an der Wien, dem Anlass entsprechend festlich
gekleidet, und warten gespannt auf die Uraufführung der Operette „Der
Zigeunerbaron“ von Johann Strauss. Das Eingangslied, in heutiger
Ausdrucksweise ein Ohrwurm, ein Hit, ihnen allen geläufig: Wer hat den
Liedtext „Ja, das Schreiben und das Lesen ist nie mein Fall gewesen, denn
schon seit Kindesbeinen befasst ich mich mit Schweinen“ nicht schon
gesummt oder gesungen. Um aber unserer zu ehrenden Person gerecht zu
werden, muss dieses Couplet verändert werden. Denn genau das Gegenteil
zeichnet sie aus. Vielen Kindern und Jugendlichen den Zugang zum Lesen, ja
das Bücherlesen zu ermöglichen, ist SEIN? ist IHR ? Pläsier gewesen und
ist es heute noch. Im Originaltext geht es mit Schweinezucht und daraus
resultierend, mit Speck und Wurst weiter. Unwillkürlich entsteht das Bild,
der Eindruck einer ländlich-dörflichen Umgebung. Um diesen Eindruck zu
realisieren, machen wir den Zeitsprung nach vorne, gelangen in die Mitte
der 70er Jahre des 20.Jahrhunderts, in ein Dorf an der Leine. Wir sind
wieder in Bordenau ankommen. Auf das, was es damals in Bordenau gab,
oder auch nicht, will ich nicht weiter eingehen. Es gab auf jeden Fall im
Dunst der Bordenauer Geschichte bereits erkennbar, unsere heutige
Ehrenperson. Es gab auf jeden Fall Kinder und Jugendliche, die von
Ritter-, Gespenster- und ähnlichen Geschichten, von Abenteuern in der
großen weiten Welt, zu Lande, zu Wasser und in der Luft träumten. Wo aber
konnte sie diese Geschichten bekommen und lesen? Guter Rat, wie sich
zeigen wird, war teuer. Es gab da einen Mann, liebevoll von
Kindergenerationen Jo-Jo genannt, dem war schnell klar, viele Bücher
müssen her. Selbstverständlich in einer„Öffentlichen Kinder- und
Jugendbücherei“. Der Gemeinderat gab sich stark, war ja damals noch
autark: „Dat hät wi nich – dat brukt wi nich!“
Natürlich gab es
Bücher, Lesestoff in Bordenaus Haushalten, aber keine zum Ausleihen. Das
ein oder andere Kinder- und Jugendbuch. Die Bibel. Im Katechismus, Gebote,
Verbote und Moral. Edith Piaff, einmal gefragt, was für sie Moral sei,
antwortete: „Moral heißt für mich, so zu leben, dass so zu leben keinen
Spaß macht“. Oder Schulbücher, „Fibel für Niedersachen in
Sütterlinschrift.“ „Tür und Tor“, „Moni und Udo“. „Die Nienburger
Gartenlaube“. „Die Leine-Zeitung“. Und dann war da noch „Der
Hundertjährige Kalender“. Hier war zu lesen: „Ist‘s am 16.September
2011 nass oder trocken, muss man nicht zu Hause hocken, im DGH die
Stiftung macht ein wenig in Kultur, verteilt Preise, und dann kann man
auch noch trinken und gute Häppchen essen.“ Fingerfood war in den 70ern
noch nicht im Sprachgebrauch. Wir stellen gemeinsam fest: „Die Vorhersage
stimmt.“ Aber konnte man mit diesem Lesestoff Kinder und Jugendliche
locken? Nein! Bücher sind teuer, der Gemeinderat zierte sich noch.
Sollte es deshalb in Bordenau keine „Öffentliche Kinder- und
Jugendbücherei geben? Jo-Jo ließ sich von seiner Idee nicht abbringen. Er
wusste den Amtsschimmel zu reiten. Der Bordenauer Gemeinderat genehmigte
schließlich 20.000,00 DM. Im Rahmen der gerade stattfindenden
Gebietsreform erhielt der Gemeinderat spä-ter 10.000,00 DM von Neustadt.
Neustadt kennen sie?
Wenn nicht, das ist seit der Gebietsreform
der etwas größere Vorort von Bordenau. Als Raum für die Bücherei bot
sich die Pausenhalle in der Grundschule an. Flugs wurde eingerichtet,
Regale von Friedhelm Löffelholz gebaut, Bücher gekauft. Endlich geschafft!
„Beileibe nicht“, sagte Jo-Jo. „Um diese Bücherei muss sich jemand
kümmern. Dazu benötige ich bitte eine Bibliothekarin.“ Jetzt nähern wir
uns endlich der zu ehrenden Person. Wer von ihnen meine Damen und
Herren, ein wenig im Denken um die Ecke geübt ist, kann in der
vorgenann-ten Berufsbezeichnung einen Hinweis auf diese Person entdecken.
Die künftige Bibliothe-Karin war schnell gefunden. Es gab da eine
Teilzeit-Sportlehrerin, seitens des Herrn Schulleiters auch ein wenig mit
Büroarbeit beschäftigt, die sich der Literatur, der Bücher-, der Lesewelt
verschrieben hatte. Eine Symbiose aus Körperertüchtigung, Führen,
Verwalten einer Bücherei, das Wichtigste aber, Kindern und Jugendlichen
das Lesen ermöglichen, mit Büchern vertraut machen, selbst vorlesen. Es
schien für alle Beteiligten eine mehr als glückliche Lösung zu sein.
Diese Personalentscheidung hat für die Bordenauer Bücherei in der Schule
bis heute Bestand. Wer jetzt an-fängt zu rechnen, 1974 – 2011, 37 Jahre
sind vergangen, diese Sport-Bibliothe-Karin war doch 1974 auch schon ein
paar Tage auf der Welt und wirkt heute, ehrenamtlich, immer noch?
Das muss ja inzwischen ein graues, Bücherstaub bedecktes,
Dutt-geschmücktes, dick bebrilltes, eulenäugiges Mäuschen sein! Sachte,
sachte, wer das denkt, kennt unsere Bibliothe-Karin, kennt unsere Karin
Glade nicht. Damit ist die Katze aus dem Sack. Karin, sei so nett, komm
bitte an meine Seite. Seit Eröffnung der „Öffentlichen Kinder- und
Jugendbücherei“,1974 in der Schule - am Rande bemerkt: damals die erste
und richtungsweisende Bücherei im Schulbereich Neustadt - also seit
damals ist Karin Glade mit Akribie, Fleiß und Kontinuität im Einsatz. Dank
ihres Einsatzes, ihrer zielstrebigen kontinuierlichen Arbeit ist die
Bücherei in der Schule zu einer aus Bordenau nicht mehr wegzudenkenden
Einrichtung geworden. Für ihren unermüdlichen Einsatz gibt es viele
Beispiele. Zu viele, um sie hier alle aufzuzählen. Die Bordenauer
Gazette (hieß wirklich so, damalige Ortszeitung für Kultur, Sport,
Politik, erschien von 1978 bis 1981, 15 Ausgaben) informiert in der
Juliausgabe 1978, dass die Bücherei in der Schule auch während der
Sommerferien an bestimmten Tagen geöffnet und Ka-rin Glade vor Ort ist.
Dem weiteren Auf- und Ausbau der Bücherei widmete sich Karin mit vollem
Einsatz. Kurzfristig waren auch Bücher für Erwachsene im Gespräch,
aus Kosten- Platz-und Abwicklungsgründen wieder verworfen. Die
Aktualisierung der Buchbestände, die Verwaltung, Pflege und natürlich die
regelmäßige Bücherausgabe, der regelmäßige Büchertausch, waren und sind
genau das Richtige für Karin. Manches Kind hat einen Satz heiße Ohren
bekommen, wenn Karin eine Rückgabe anmahnte, ein verschmutztes oder
beschädigtes Buch zurück bekam. Die Bücherei war ihr Steckenpferd und ist
es heute, ehrenamtlich, immer noch. Unzählige Stunden hat Karin in der und
für die Bücherei aufge-bracht. Ihre erfolgreiche Arbeit soll auch
mitverantwortlich für „Bordenau – Unser Dorf liest“, gewesen sein. So in
einer bekannten Kolumne zu lesen. Lesen ermöglichen, aber auch
Vorlesen, wie schon erwähnt, war und ist ihr wichtig. Wer hat Karin nicht
schon vorlesend im Kreise einer Kinderschar angetroffen? Viele Kinder
wissen von unheimlichen, gruseligen Lesenächten mit Karin und dem
Kollegium zu erzählen. 1994, 20 Jahre Schulbücherei, für Karin Glade
und die Bücherei 20 erfolgreiche Jahre. Alfred Klingebiel, Hans-Joachim
Krebs (Schul-und Kulturamt) und Claudia Westphalen (Neustädter
Stadtbibliothek) ehren Karin Glade mit Glückwünschen und einem
Blumenstrauß. Da hat die Stiftung heute etwas mehr im Säckel!
Im
November 2003, Gründung des Vereins „Stadtteilbücherei“, regelmäßige
Zusammenkünfte und Erfah-rungsaustausch. Sie ahnen es bereits, natürlich
ist Karin dabei und steht als Schatzmeisterin in der Mitverant-wortung.
Selbstverständlich war auch die regelmäßige Kontaktpflege zu
Stadtverwaltung und Stadtbücherei. Ein Jahr später, also 2004, kam das
unvermeidbare Ende, oder doch nicht? Karin Glade wird aus dem
Schul-dienst entlassen. „Nun geht sie und bleibt doch noch“, Textzeile aus
der bereits erwähnten Kolumne. „Auch im Ruhestand für Kinder da – Karin
Glade verlässt die Bücherei nicht“ Titelzeile, Bericht der Leine-Zeitung.
Sie blieb den Kindern, den Jugendlichen, der öffentlichen Bücherei, uns
Bordenauern ehrenamtlich erhalten. Immer wieder gab und gibt es
Leseaktionen mit Karin Glade. Juli 2005, Artikel in der Neustädter
Zeitung: „Lesenacht in der Bücherei“. „Unheimliche Gestalten“ wollen die
Bücherei erkunden. Die Klasse 4a, zusammen mit Karin Glade, Barbara
Brinkmann, Petra Ludwigs, wie die Kinder mit Taschenlampe und Schlafsack
ausgestattet, wollen Detektiv spielen, lesen und vorlesen. Einmal im
Jahr ist Leseaktion mit Kinder- und Jugend-buch-Autoren in Zusammenarbeit
mit dem Bödeker-Kreis. Für die Folgejahre lassen sich solche
Leseaktivitäten, die normale und notwendige Büchereiarbeit zu einer
inzwischen langen Perlenkette reihen. Auf den Verschluss dieser Kette, so
ist zu hoffen, wollen wir sehr gern noch viele Jahre warten. Jeden
Montag von 8 bis 13 Uhr und von 16 bis 18 Uhr ist Karin in der Kinder- und
Jugend-Bücherei anzutreffen. Etwa 3.000 Bücher stehen in den Regalen. Karin
kennt die genaue Zahl. Karin ist In den Vormittagstunden mit
Büchertausch, mit Kindern der jeweiligen Klasse lesend, mit lesen Lassen
oder Vorlesen beschäftigt. In den Nachmittagsstunden kommen Eltern mit
Kindern, Großeltern mit Enkelkindern, Jugendliche, um sich von ihr
geeignete Bücher vorschlagen zu lassen und auszuleihen. Karin, 37 Jahre
sind vergangen, davon inzwischen 7 Jahre, seit 2004, bist Du ehrenamtlich,
mit vollem Einsatz in der „Öffentlichen Kinder- und Jugendbücherei“ tätig.
Viel gäbe es noch zu sagen. Hier erlaube ich mir festzustellen und
denke, dass ich damit auch die Zustimmung der hier Anwesenden finde:
„Karin, Du bist innerhalb der Bordenauer Grundschule zu einer Institution
geworden, Du bist eine Bordenauer Persönlichkeit.“ Im Namen der
Bordenauer Dorfgemeinschaft, im Namen der Stiftung Bordenau danke ich Dir
für Deinen unermütlichen Einsatz und gebe der Hoffnung Aus-druck, dass Du
der Kinder- und Jugendbücherei noch lange erhalten bleibst.
Entsprechend der Stiftungssatzung hast Du dich „in und für Bordenau
verdient gemacht“. Die Stiftung ehrt und zeichnet Dich urkundlich,
verbrämt mit ein paar Euros, mit dem Förderpreis 2011 aus. Herzlichen
Glückwunsch!
Werner Schmidt
(Überreichung einer Mappe mit Erinnerungen,
Zeitungsartikeln, Bildern, Buchtiteln, von Klaus Joseph, Claus-Dieter
Gelbke und dem Kollegium)
Die Laudatio hielt Werner Schmidt
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