Gerhard Johann David von Scharnhorst

Scharnhorst verbrachte auch einige Jahre in Südniedersachsen

 

 

 von Claus-Dieter Gelbke, Bordenauer Chronik, 'Scharnhorst'

Sicherlich haben die meisten Leserinnen und Leser dieses Artikels schon irgendwann einmal von Scharnhorst, dem preußischen General und Heeresreformer während der Befreiungskriege gegen Napoleon, gehört. Ist aber auch allen bekannt, dass Scharnhorst ein „waschechter“ Niedersachse war? 

Er ist am 12. November 1755 in Bordenau, heute ein Stadtteil von Neustadt am Rübenberge, der flächenmäßig viergrößten Stadt in Deutschland, Landkreis Hannover, geboren und erhielt bei seiner Taufe die Namen „Gerhard Johann David“. Vier Jahre seines Lebens hat er in Südniedersachsen, hauptsächlich in Northeim, verbracht, nachdem er seine militärische Ausbildung auf der vom Grafen Wilhelm von Schaumburg-Lippe errichteten Militärakademie und Inselfestung „Wilhelmstein“ im Steinhuder Meer erhalten hatte.  

Als nach dem Tode des Grafen im Jahre 1777 die Schule aufgelöst wurde, wandte sich Scharnhorst an den hannoverschen General von Estorff, dem Chef des 8. Dragonerregiments, bei dem schon sein Vater als Quartiermeister gedient hatte, und bat um Aufnahme in die hannoversche Armee. Das Stabsquartier dieses Regiments befand sich in Northeim, während der größte Teil der Mannschaft in den umliegenden Dörfern untergebracht war.  

Estorff suchte gerade für die von ihm vor kurzem eingerichtete Regimentsschule, die der Fortbildung seiner Soldaten in den Kriegswissenschaften dienen sollte, einen Lehrer. Da er über Scharnhorst schon manch Gutes gehört hatte, schrieb er an den Nachfolger des Grafen Wilhelm: „ Bei den hochlöblichen Schaumburg-Lippischen Ingenieur-Korps ist nach der vortrefflichen Einrichtung ein junger Kondukteur namens Scharnhorst so wohl erzogen, dass ich den Wunsch hege, denselben in meinem ... Regiment in Rücksicht seiner guten Fähigkeiten als Offizier zu placieren und deshalb um dessen gnädige Entlassung ganz gehorsamst nachsuche.“  

Dem Gesuch wurde entsprochen und so kam Scharnhorst schließlich am 10. Oktober 1778 nach Northeim.  Über seine dort verbrachte Zeit liegt mir ein umfangreicher Artikel vom 28.06.1938 aus dem „Göttinger Tageblatt“ vor. Darin heißt es u.a.: „In Northeim wurde Scharnhorst mit offenen Armen aufgenommen. Die großen Hoffnungen, die General Estorff auf Scharnhorst setzte, wurden aufs glänzendste erfüllt. Er wurde gleich Lehrer an der Regimentsschule und hatte an dem Unterrichtsstoff den Löwenanteil. Ihm wurde der gesamte Unterricht  in Mathematik, Zeichnen und Artilleriewissenschaft, Taktik, Geschichte und Geographie übertragen. Der Unterricht fand ... in der Zeit von Michaelis bis Ostern wöchentlich an vier Tagen statt. Mit jugendlichem Eifer ging Scharnhorst an die Aufgabe heran. Er wurde bald infolge seines gewinnenden Wesens, großen Lehrtalents und umfassender Kenntnisse der Lieblingslehrer der Regimentsschule. Der gute Ruf, den er sich als Lehrer erwarb, verbreitete sich immer weiter, und viele hannoversche Offiziere aus den verschiedensten Regimentern und Garnisonen kamen auf die Regimentsschule nach Northeim, die bald zu großem Ansehen in der Armee kam.  In der übrigen Dienstzeit bildete er die Truppen aus und beteiligte sich an taktischen Übungen. Pfingsten 1779 fanden diese in Herzberg statt, wo auch ein Lager bezogen wurde.  

Daneben trieb Scharnhorst umfangreiche Privatstudien. Er las französische und deutsche Kriegswerke und schöngeistige Literatur. Er betätigte sich auch selbst schriftstellerisch ... . Studien über den optischen Entfernungsmesser brachten ihn 1780 zu einer wesentlichen Verbesserung der Instrumente. Er erfand ein Mikrometerfernrohr zur Erleichterung richtiger Schätzung und Beurteilung der Entfernungen. Daneben fand aber Scharnhorst noch Zeit, sich an den gesellschaftlichen Veranstaltungen in Northeim zu beteiligen. Northeim war damals ein Städtchen von 3.200 Einwohnern und einer Garnison von 340 Mann mit einem General als Stadtkommandanten. Die Schrecken des 30jährigen und 7jährigen Krieges waren überwunden, und die Bürger lebten in einem gewissen Wohlstand. Die wirtschaftliche Lage der Stadt war gut. Ein reger Handel mit Leinen, Tabak, Vieh und Holz zog viele Fremde an. Scharnhorst lebte freilich in ziemlich schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen. Seine Eltern konnten ihn nicht unterstützen, so dass er auf sein schmales Fähnrichsgehalt angewiesen war ... .  

Den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Veranstaltungen bildete ein Klub, der Bürger und Offiziere zu Spiel und Unterhaltung vereinigte. Als lebensfroher junger Offizier fand Scharnhorst auch leicht Anschluss bei den wohlhabenden Northeimer Bürgern, die ihn wegen seiner Bescheidenheit und überdurchschnittlichen Klugheit gern sahen. Häufig unternahm er auch zur Erholung von den Anstrengungen des Dienstes Spaziergänge in die nähere und fernere Umgebung Northeims. So weilte er oft auf den Ruinen der Plesse und des Hardenbergs. Auch nach Göttingen kam Scharnhorst häufig.“  

Auf die Dauer konnte natürlich einem Mann wie Scharnhorst die verhältnismäßig untergeordnete Tätigkeit in Northeim nicht befriedigen, zumal er Artillerist und nicht Kavallerist war. So nahm er bereitwilligst und ohne Zögern im Jahre 1782 den Ruf an die neu errichtete Artillerieschule in Hannover an und verließ damit den südniedersächsischen Raum.


E-Mail an den Webmaster  -  Zur Startseite Bordenau - Aktuell  -  Impressum
Copyright "Bordenau im Internet" - Stand: 14. März 2024