Arbeitskreis "Unser Dorf liest"

Zu Gast am 13.3.2001 in der Kinder- und Jugendbücherei Bordenau: Wolfram Hänel

Kontakt: Martin Drebs, Tel. 05032-1426
E-Mail: Unser Dorf liest

Die durchaus berechtigten und längst überfälligen Forderungen eines Kinder- und Jugendbuchschriftstellers

Es gilt, den Kinder- und Jugendbuchautoren endlich die zum Überleben unter den heutigen Marktbedingungen dringend notwendige finanzielle Rückendeckung zu verschaffen. Dazu müssen Kinder- und Jugendbuchautoren zum allgegenwärtigen Bestandteil des öffentlichen Lebens werden, dürfen nicht mehr wegzudenken sein aus Fernsehprogrammen, Hochglanz-Illustrierten und Tschibo-Shops; mit Hilfe der aus den Bereichen Sport und Unterhaltung hinlänglich bekannten Maßnahmen sollte es im übrigen kein Problem sein, Kinder- und Jugendbuchautoren bereits innerhalb kürzester Zeit als neue Kult- und Megastars zu etablieren. 

Illustration von Alex de Wolf

Deshalb fordere ich:

1.     Gut bezahlte Auftritte in Talk- und Game-Shows - in jeder Talkrunde muss mindestens ein Kinder- und Jugendbuchschriftsteller Präsenz zeigen, Mario Giordano äußerst sich zum Problem des Hundekots in den Hamburger Docks, Dietlof Reiche spricht über Tierversuche in der Computerindustrie und ich selber bin gern bereit, vor laufenden Kameras genauso dürftig Fußball zu spielen wie viele Fußballspieler dürftige Sätze stottern...

2.     Ganzseitige Hochglanz-Interviews und regelmäßige Erwähnung in der Boulevardpresse sowie in entsprechenden Small-Talk-Spalten - ein Mann: Henning Pawel, eine Frau: Martina Dierks; Ulli Schubert beim Sektempfang mit Prinzessin Caroline gesehen (und später von Welfenprinz Ernst-August mit Regenschirm verprügelt)...

3.     Inhaltslose Fernseh-Werbeauftritte für viel Geld - Herbert Friedmann und Wolfgang Pauls trinken Jägermeister, Jürgen Banscherus zeigt Christa Zeuch die längste Praline der Welt, Klaus-Peter Wolf „ist schon drin“...


Jugendbücherei Bordenau, 13.3.2001
Fotos(3): Ingolf Heinemann 

4.     Regelmäßige Glossen und Kolumnen in Tageszeitungen, Wochen- und Monatszeitschriften - Cornelia Franz über die Warteschlange an der Supermarktkasse, die grundsätzlich die längste ist, Wolfram Eicke über die U-Bahn, die immer genau dann losfährt, wenn er gerade um die Ecke kommt, Kirsten Boie über den Kindergeburtstag bei McDonalds, der in die Hose gegangen ist (und falls einer keine Glossen und Kolumnen schreiben kann, macht das gar nichts und wäre im schlimmsten Fall eben einfach nicht von den meisten, bislang üblichen zu unterscheiden)...

5.     Regelmäßige VIP-Auftritte in Vorabendserien und Soap-Operas - Anne Steinwart als Taxifahrerin in GZSZ, Andreas Schlüter als Leibwächter (ebenda), Klaus Meyer sitzt mit Kanzler Schröder zufällig in Daniels Bar (dito)...

6.     Sponsoring durch finanzkräftige Partner der Wirtschaft - Herbert Günther federt auf Reebok-Turnschuhen in seine Lesungen, Margret Steenfatt weist vorab auf ihren mit Perwoll gewaschenen Flausch-Pullover hin und Volkmar Röhrig trinkt öffentlich Hasseröder oder (je nach Altersgruppe) Punica...

7.     Ausgefeilte Merchandising-Maßnahmen zur generellen Imagebildung - Achim-Bröger-Porträts auf Zahnputzbechern, Badetüchern und Kopfkissen, Textzitate von Nevfel A. Cumart auf T-Shirts und Regenjacken und einen Golf „Karlhans Frank“ als Nachfolgemodell für den „Rolling Stones“...

8.     Indirekte, aber hoch bezahlte Produktwerbung in Text und Bild von Kinder- und Jugendromanen - bei Sabine Jörg werden die Zähne nur mit Colgate geputzt, bei Wilfrid Grote nur mit Blend-A-Med und bei Sigrid Zeevaert ausschließlich mit Sensitive; vorstellbar wären zweifellos auch Dialoge wie: Mein Vater fährt nur Mercedes. - Was? Ist der blöd? Weiß der nicht, dass die dauernd umkippen? Mercedes ist Scheiße, Mann, du musst BMW fahren! (oder umgekehrt, je nachdem, wer besser bezahlt)...

9.     Verschiedene Sofort-Maßnahmen zur Image-Verbesserung wie die Benennung von Straßen, Wegen und Plätzen in bevorzugter Wohnlage nach Kinder- und Jugendbuchautoren - Doris-Meißner-Johannknecht-Weg, Dirk-Lornsen-Straße, Prof.-Dr.-Joachim-Friedrich-Allee...

10.  Weitere Maßnahmen wie Autorenporträts auf Litfaßsäulen, Linienbussen und als umlaufende Bandenreklamen in Fußballstadien sollten sich von selbst verstehen, ebenso wie publikumswirksame Ablösesummen bei Verlagswechsel sowie Weihnachts- und Urlaubsgeld aus Toto-Lotto-Kassen und ähnliches mehr, auch eine Art „Deutsche Sportlerhilfe“ für Kinder- und Jugendbuchautoren wäre grundsätzlich erwägenswert...

PS. Keiner der beispielhaft genannten Kollegen ist über die Nennung seines Namens informiert. Also kann auch keiner zugestimmt haben. Ich hoffe dennoch, sie werden mir „um der guten Sache willen“ verzeihen und sich nicht auf den Schlips getreten fühlen...

Wolfram Hänel

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Die Kurzfassung des Textes erschien als Gastkommentar in der Kolumne der Neustädter Zeitung am 28.2.2001 

 


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